Postkarte aus Dyvig

Ahoi, Ihr Lieben!

Habt Ihr Lust auf eine kleine Anekdote aus dem Jahr 2011? Ich kann mich noch ziemlich gut an einen grauen, nasskalten Nachmittag im Februar erinnern. Wir hatten gerade unser erstes Schiff, eine Nordborg 32, bestellt und fuhren anschließend zusammen mit unserem Bootsbauer von der Nordborg-Werft runter nach Dyvig. Mein Skipper war nämlich fest entschlossen, Dyvig Bådelaug zu unserem Heimathafen zu machen. Jetzt musste nur noch Hafenmeister Christian davon überzeugt werden, uns einen Liegeplatz zu geben – Dyvig war schon damals bei Festliegern sehr beliebt und freie Boxen waren Mangelware. Ich habe mir zwar nichts anmerken lassen, aber als wir die kleine Straße zur Dyvig Bucht runterfuhren, habe ich mir im Stillen nichts sehnlicher als eine Absage gewünscht. Wie trist und trostlos der Hafen aussah! Nur vereinzelt dümpelte ein einsames Boot am Steg, und der Platz vor den Servicegebäuden war zugestellt mit Schiffen, die unter Plastikplanen ihren Winterschlaf hielten. Ganz ehrlich: hätte ich damals einen Wunsch frei gehabt, wäre mir ein Liegeplatz in Sønderburg viel lieber gewesen. Dort gab es unzählige Kneipen, nette Boutiquen mit schicken dänischen Klamotten und Restaurants in fußläufiger Nähe, und außerdem war im Yachthafen garantiert mehr los als in Dyvig. Wahrscheinlich habt Ihr es schon erraten – es kam alles anders.

Bei einem typisch dänischen, informellen Gespräch im Hafenmeisterbüro (das mich eigentlich eher an eine verräucherte Kellerkneipe auf St. Pauli erinnerte) war Thues Frage nach einem Liegeplatz im Handumdrehen beantwortet. Ein kurzer Blick in eine schrabbelige, handgeschriebene Liste reichte aus, dann zeigte Christians Daumen auch schon nach oben. Einfach so und ohne dass wir irgendwelche Antragsformulare ausfüllen mussten, hatten wir einen Liegeplatz am Steg 4. Ich war platt! Klar, der Unterschied zwischen deutscher und dänischer Bürokratie ist riesengroß, aber SO formlos und unbürokratisch hatte ich mir das Ganze dann doch nicht vorgestellt. Meinen Traum vom Liegeplatz in Sønderborg konnte ich also genau in diesem Moment abhaken, denn wenn sich mein Skipper (Sternzeichen Stier, keine weiteren Fragen!) erstmal was in den Kopf gesetzt hat, ist Widerstand sowieso zwecklos. Seufz!

Einige Wochen später war unser erstes elbkind fertig, wurde zu Wasser gelassen und am Karfreitag bei Traumwetter getauft. Und in diesem Moment erwachte sie, meine Liebe zu Dyvig, und mir wurde klar, warum Thue ausgerechnet diesen Hafen für uns ausgesucht hatte. Bei Sonnenschein und blauem Himmel sah plötzlich alles ganz anders aus. Die liebliche Natur rund um den Hafen war aus dem Winterschlaf erwacht und der fröhliche, immer gut gelaunte Hafenmeister eroberte mein Herz im Sturm. Außerdem lagen am Steg 4 außer uns auch andere nette Nordborg-Yachties, mit denen wir uns schnell angefreundet haben. Dyvig wurde für uns eine Art zweites Zuhause  – der Heimathafen der Herzen. Und ich gebe ehrlich zu: Die Boutiquen und Restaurants in Sønderborg haben mir bis heute nicht eine Sekunde lang gefehlt – im Gegenteil: Dyvig ist der perfekte Ort, um die Seele mal richtig baumeln zu lassen, und das ist für viele von uns doch wesentlich in Zeiten von Laptops, Smartphones und Social Media. (Obwohl: blitzschnelles WLAN gibt es in Dyvig inzwischen auch, und diesen Beitrag schreibe ich an Bord. Erwischt! 😉)

Ein paar Jahre später ging Christian in den Ruhestand, und damit wurde alles anders. Die Atmosphäre im Hafen veränderte sich, alles wirkte seltsam seelenlos und nicht wenige Segler, die früher hauptsächlich wegen Christian nach Dyvig gekommen waren, blieben einfach weg. Gleich zwei Hafenmeisterinnen, die Christians Nachfolge angetreten hatten, warfen unerwartet schnell das Handtuch. Der Hafenkiosk blieb geschlossen. Und obwohl sich die Mitglieder des Segelclubs wenigstens um die Reinigung der sanitären Anlagen kümmerten, war klar, dass so schnell wie möglich Abhilfe geschaffen werden musste. Denn auch in Seglerkreisen verbreiten sich schlechte Nachrichten leider in Windeseile…

Im Frühjahr 2017 war es dann so weit – endlich ein Lichtstreif am Horizont! Die Geschicke des Hafens wurden in die Hände von Erling und Helle gelegt, und seitdem sind unsere Sorgenfalten verschwunden. Wir fühlen uns wieder pudelwohl in Dyvig, denn es ist deutlich spürbar, mit wie viel Liebe zum Detail die Hafenanlage nun gehegt und gepflegt wird. Ach, übrigens: die beiden sprechen gut deutsch. 🤗

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Helle und Erling

Der Hafenkiosk wurde umgestaltet und bietet wirklich alles, was das Seglerherz begehrt. Frühstücksbrötchen können am Vortag bestellt werden, außerdem gibt es frisches Brot und zuckersüße dänische Kuchen-Kalorienbomben. Neuerdings bieten Erling und Helle sogar das lokale  „Fuglsang“ Bier an – frisch gezapft vom Fass. Vor dem Hafenkiosk laden Tische und Stühle mit Sonnenschirmen nach einem harten Segeltag zu einer Pause ein.

Wer ein paar Kräuter für Salat oder Quark braucht, darf sich gern gratis an Helles „Kräuterboot“ bedienen. Schnittlauch, Petersilie, Basilikum, Pfefferminze – was darf’s sein?

Kräuterboot
Helles Kräuterboot

Und es gibt noch mehr Verbesserungen im Hafen. Ein Beispiel sind die sanitären Anlagen, die etwas in die Jahre gekommen waren. Sie haben eine Runderneuerung bekommen und sehen wieder sauber und gepflegt aus.

Badezimmer
Badezimmer in Dyvig

Das absolute Highlight im Hafen ist die neue Grillterrasse mit Plexiglas-Windschutz und Sonnenschirmen. Mit großem Einsatz, Herz und Sachverstand haben hilfreiche Hände aus dem Segelclub diesen neuen Treffpunkt für Segler geschaffen. Bei schönem Wetter feuert Erling am frühen Abend den Gemeinschaftsgrill an und die Einweggrills dürfen ganz umweltfreundlich in der Backskiste bleiben. Besonders für uns „Dauer-Griller“ ist das ein unbezahlbarer Service! Der neu angelegte Kinderspielplatz mit Schaukeln, Rutsche, Klettergerüst und Wipptieren liegt in Sicht- und Rufweite. So können Mama und Papa den lauen Sommerabend ganz entspannt bei Grillwürstchen und Bier genießen und haben gleichzeitig den Nachwuchs beim Spielen immer im Blick. Ein gut durchdachtes Konzept.

Außerdem ganz neu: Leihfahrräder! Für 20 dänische Kronen pro Tag kann man bei Erling einen grünen Drahtesel ausleihen und unterstützt damit gleichzeitig eine örtliche Einrichtung für Behinderte, deren Bewohner sich um die Wartung der Fahrräder kümmern.

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Nicht neu, aber trotzdem erwähnenswert: In Dyvig gibt es Waschmaschine und Trockner und ein Bücher-Tauschregal, auf dem Ausgelesenes abgestellt und / oder kostenlos mitgenommen werden kann. Für mein Foto habe ich einen ungünstigen Zeitpunkt erwischt; normalerweise ist die Auswahl an Büchern deutlich größer. Außerdem gibt es ein geräumiges Zelt für Segler, in dem auch dann gemütlich zusammengesessen und gegrillt werden kann, wenn der Himmel mal grau ist und ein paar Regentropfen fallen.

Wir möchten Euch wirklich ans Herz legen, in dieser Saison mal wieder in Dyvig vorbeizuschauen – es lohnt sich! Entgegen anderer Gerüchte ist Dyvig übrigens nicht nur Clubmitgliedern vorbehalten, sondern freut sich sehr über Gastsegler. Und wenn es Euch in unserem Lieblings-Heimathafen genau so gut gefällt wie uns, dürft Ihr das auch gern weitererzählen, damit auch mal wieder „Good News“ die Runde machen. 🤗

Wir wünschen Euch eine tolle Segelsaison, und dass das Wetter weiter so traumhaft bleibt wie im Mai. See you in Dyvig, bis bald!

Eure elbkinder ⛵️☀️

20 Kommentare zu „Postkarte aus Dyvig

  1. Hi Martina, jetzt hast du schon so viele schöne Beiträge geschrieben und ich hab mich nicht einmal gemeldet obwohl der Winter gefühlt sooo lang war und da hat man(n) ja eigentlich viel Zeit zum Schreiben. Dein letzter Beitrag hat mich allerdings ein wenig entsetzt, Ich habe dich für ein „anständiges“ und seriöses Mädchen gehalten aber woher kennst du verrauchte Kellerkneipen auf St Pauli bitte schön? 😉
    Die Saison ist in vollem Gange und das Wetter ist für uns Segler so Klasse das es einem schon wieder unheimlich vorkommt, wenn ich da an letztes Jahr denke, irgendwie das krasse Gegenteil oder wie seht ihr das?
    Zur Frage von Werner zu Womo Plätzen: Mommark und Augustenborg fallen mir da ein. Außerdem hab ich eine Frage: Ob und wie man in den Kommentaren Bilder einfügen kann wenn man die Kommentare auf dem Smartphone schreibt?
    Auf jeden Fall ganz liebe Grüße von Michael und Mast und Schotbruch.

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    1. Hallo Michael, lieben Dank für Deinen ausführlichen Kommentar. Schön, von Dir zu hören, wir haben uns schon Gedanken gemacht. 😉 Wo steckst Du denn gerade? Wir genießen das schöne Wetter natürlich an Bord und können unser Glück kaum fassen. ☀️⛵️ In dieser Saison können wir aus familiären Gründen nur kurze Törns machen, aber das tut unserer Freude am Segeln keinen Abbruch. 🤗

      Danke für Deine WoMo—Tipps, ich hoffe, Werner liest noch mit. In Dyvig gibt es leider keine WoMo-Plätze, ich habe mich inzwischen bei Erling erkundigt und Werner auch schon per E-Mail informiert.

      Zum Thema Einfügen von Fotos in den Kommentaren: das habe ich noch nie ausprobiert und deshalb leider auch keinen blassen Schimmer, ob es diese Möglichkeit gibt. Sorry…

      Vielleicht treffen wir uns in diesem Sommer ja mal wieder in Dyvig? 🍻

      Liebe Grüße, Martina

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      1. Hallo Martina,
        schön das ihr die Zeit an Bord in Ruhe genießen könnt, es müssen ja nicht immer die weit entfernten Ziele sein wenn das Gute liegt so nah. Ihr liegt schließlich in einem der schönsten Segelreviere daß wir hier haben. Ich habe für dieses Jahr keinen großen Törn geplant war aber über die Himmelfahrtswoche in der Gegend um Fehmarn/Heiligenhafen unterwegs und es war eine „Bombenwoche“.
        In der letzten Juliwoche werde ich aber nochmal bei einem Freund und Arbeitskollegen an Bord gehen. Sein Schiff (eine Najad) liegt in Høruphav, vielleicht kommen wir längs. Ansonsten werde ich dieses Jahr wohl nur die Trave und die Lübecker Bucht unsicher machen.
        Genießt die Zeit und Gruß auch an Daniel Düsentrieb
        Gruß Michael

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  2. Liebe Martina, ich habe mir darüber noch nie so Gedanken gemacht, aber Segler haben also wirklich einen Heimathafen. Im allerwörtlichsten Sinne. Klingt voll schön. Liebe Grüße auf die Insel, Stefanie

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  3. Hallo Martina, toller Bericht von einer klasse Marina. Es wäre schön für mich zu wissen, ob die auch WoMo’s aufnehmen. Oft gibt es in Häfen diese Möglichkeit . Grad in Dänemark, wo Stellplätze knapp sind, ist sowas eine willkommene Möglichkeit. Liebe Grüße Werner

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  4. Liebe Martina, das hast du aber schön geschrieben. Mit Sonderborg liebäugle ich ja auch oft. Wegen Strand und offenem Meer etc. Wir kommen bestimmt bald nach Dyvig, wenn es nur nicht so weit wäre…;-) LG Cornelia

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  5. Hallo elbkind,

    Hier ist die Sóley! Wir vermissen dir Dyvig jetzt schon und hoffen dass wir wenigstens im Sommer mal hochsehen können.
    Und: ich stehe schon wieder auf Erlings Liste 😎😏.

    Bis bald, fair winds,

    Olav und Natascha

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  6. Liebe Martina, es steht und fällt doch immer mit den Menschen! Schön, dass der Hafen in Dyving gleich 2 gute Seelen bekommen hat. Das Kräuterboot gefällt mir ganz besonders gut. Liebe Grüße Undine

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