Endlich Sommer, Sternstunden in Fåborg und zurück nach Dyvig

Und dann kam er doch noch, der heiß ersehnte Sommer. Wir waren total aufgekratzt, die Stimmung an Bord war ausgelassen und fröhlich. Fürs Wochenende waren wir mit Torben und Lene in Dyvig verabredet, aber bevor es zurückging, wollten wir unbedingt noch einen Abstecher nach Fåborg machen. Bei stahlblauem Himmel, Sonnenschein und einem leichten Wind aus Südwest legten wir gegen 10 Uhr morgens in Svendborg ab.

An den schmaleren Stellen im Sund hatten wir bis zu 3 kn Gegenstrom, was leicht an den Tonnen erkennbar war, die wir passierten…

Thue durfte im Cockpit relaxen, zur Abwechslung war ich mal Steuermann. Nachdem wir den Sund und den dichten Schiffsverkehr hinter uns gelassen hatten, wurden die Segel gesetzt. Allerdings flaute der Wind schon nach kurzer Zeit wieder ab, und weil wir noch immer mit Gegenstrom zu kämpfen hatten, haben wir die Segel wieder eingeholt und den Motor gestartet. Kurz hinter Svelmø frischte der Wind zwar wieder auf, aber wir waren schon relativ nah am Grydeløbet, und Fåborg war fast in Sichtweite. Also siegte am Ende doch die Faulheit – die restliche Zeit ließen wir einfach den Volvo laufen und haben den wolkenlosen Himmel, die leichte Brise und den strahlenden Sonnenschein genossen.

image012
Sommer, Sonne, Kaktus…
Nach ca. 17 sm erreichten wir Fåborg. Diesmal hatten wir uns für den alten Stadthafen entschieden. Weil die Sommerferien in Dänemark und Schweden inzwischen vorbei waren, rechneten wir uns gute Chancen auf einen Liegeplatz aus. Tatsächlich hatten wir Glück und haben eine freie Box am mittleren Steg gefunden. Um die Mittagszeit war das Elbkind fest.

Nach dem Anlegen kamen wir mit einem lokalen Segler ins Klönen, der sich über den schlechten Service in Dyvig beklagte, nachdem unser Hafenmeister Christian zum Saisonende letzten Jahres in den Ruhestand gegangen ist. Es gebe nun keinen Hafenmeister mehr, die Reinigung der Duschen und WCs ließe schwer zu wünschen übrig, der Grill für die Gastsegler würde nicht mehr angezündet usw… und dabei sei er doch in der Vergangenheit immer so gern nach Dyvig gekommen! Erstaunlich (und traurig), wie schnell unser Heimathafen seinen guten Ruf verloren hat. Noch trauriger war allerdings, dass der Mann vollkommen recht hatte. Wir wünschen uns wirklich sehr, dass schnell eine gute und vernünftige Lösung für Dyvig gefunden wird und wir ab dem kommenden Jahr wieder einen netten und kompetenten Hafenmeister bekommen, der seinen Laden richtig gut im Griff hat – damit sich alle wieder wohlfühlen können, Dyvigs Gäste und wir Festlieger.

Wo waren wir? Ach ja, in Fåborg… Nachdem das Hafengeld am Automaten bezahlt war, stürmten wir erstmal die kleine Räucherei am Hafen. Leckerer Räucherfisch mit Schwarzbrot geht ja immer, und das war genau das Richtige gegen den kleinen Hunger zwischendurch. Beim anschließenden Bummel durch die gemütliche Innenstadt von Fåborg trauten wir unseren Augen nicht: Vor einem Geschäft hingen tatsächlich schon die ersten Schneeanzüge für die lieben Kleinen. Im August, bei 26°C. Frei nach dem Motto: Heute schon an morgen denken, der Winter kommt schließlich immer so plötzlich. 😉

img_4221

Abendessen gab es an diesem Tag im lauschigen Gastgarten des Restaurants  ”Le Brasserie”, das zum Hotel Fåborg gehört. Was uns hier besonders fasziniert hat: zwei schwergewichtige Paare am Nebentisch demonstrierten uns eindrucksvoll, was 50 kg zuviel auf den Rippen so ausmachen und wie sie sich auf die Mobilität eines Menschen auswirken. Völlig entsetzt ließen wir die Pommes Frites, die uns zu unserem Burger serviert wurden, unangerührt wieder zurückgehen.

Zurück im Stadthafen gab’s noch viel zu gucken, denn im Sommer treffen sich jeden Mittwochabend die wunderschönsten Oldtimer aus der Gegend im Hafen. Was für ein Augenschmaus!

Der wunderschöne Sonnenuntergang machte deutlich, warum unser schönes Segelrevier „dänische Südsee“ genannt wird. Als es dunkel wurde, saßen wir mit einem Glas Rotwein im Cockpit, schauten in den Himmel und haben tatsächlich noch einige Sternschnuppen entdeckt – Nachzügler der „Tränen von St. Laurentius“. In den Nächten nach dem 10. August durchquert die Erde nämlich den Meteoritengürtel der Perseiden, und dann fallen Hunderte von Sternschnuppen vom Himmel. Wer eine „Laurentiusträne“ sieht, dessen Wunsch soll in Erfüllung gehen.

Am nächsten Morgen ging es bei westlichem Wind zwischen 8 und 12 m/s los in Richtung Dyvig. Als wir zwischen Knoldsand  und Dyreborg durch waren, haben wir vorsichtshalber ein Reff ins Großsegel gebunden. Der Wind wehte beständig frisch und drehte später mehr in Nord, was uns und unserem Kurs in Richtung Nord-Als sehr entgegenkam. Nachdem wir Lyø Trille und Horne Land passiert und offenes Wasser erreicht hatten, haben wir das Vorsegel etwas eingerollt, und mit flotten 7 Knoten rauschte das elbkind in Richtung Heimat. Unterwegs konnte ich meinen Skipper mit einem kleinen Stunt beeindrucken. Bei widrigen Bedingungen (2-m-Welle abwechselnd von vorne bzw. quer aus dem Kleinen Belt) bin ich in der Kombüse verschwunden und habe für unseren Grillabend in Dyvig auf die Schnelle einen Bulgursalat geklöppelt. Der Gasherd mit kardanischer Aufhängung hat sich dabei wirklich gut bewährt. Thue war schwer beeindruckt von seinem seefesten Smutje. Langsam werde ich zu einem echten Salzbuckel, den weder Wind noch Welle, geschweige denn ein schaukelndes Schiff aus der Ruhe bringen können. 😊👍🏼

Nach ca. 28 sm und gut vier Stunden Segelzeit (unser absoluter Rekord auf dieser Strecke) liefen wir durch die Einfahrt „E Gaf“ nach Dyvig und wurden von unseren Stegnachbarn und der Acadia-Besatzung herzlich in Empfang genommen. Abends wurde unsere Rückkehr natürlich standesgemäß bei einem gemütlichen Grillabend mit lecker Essen und Wein aus Torbens Vorräten gefeiert. Bei sommerlichen Temperaturen saßen wir im Freien. Über 6 Wochen waren wir unterwegs gewesen und haben uns so oft besseres Wetter gewünscht. Jetzt war der Sommer endlich zurück. Besser spät als nie!

„Det blæser en halv pelikan“ und Petri Heil in Karrebæksminde

Am Dienstagmorgen gegen 7.30 Uhr setzten wir im Hafen von Svendborg das Großsegel, banden ein Reff ein und warfen die Leinen los. So schön Svendborg auch ist – nun reichte es auch. Wir wollten endlich weiter.

Bei ungemütlichem Wetter – der Himmel war grau, und der Wind wehte böig – ging es durch den Svendborgsund.
Als wir den Langelandsbelt erreicht hatten, wehte es 10 bis 14 m/s mit Wind aus SSW platt von hinten. Konzentration beim Steuern war nötig, um eine Patenthalse zu vermeiden.

Dann – ziemlich überraschend und natürlich in keiner Wettervorhersage enthalten – kam plötzlich für ca. 30 min. an der Nordspitze von Langeland Starkregen auf. Klitschnass, in voller Segelmontur und mit seinem Südwester auf dem Kopf stand der arme Thue am Steuerstand. Ich verkrümelte mich in der Zwischenzeit unter die Sprayhood und beobachtete alles warm und trocken vom Niedergang aus. Manchmal ist es eigentlich ganz komfortabel, nicht Skipper, sondern nur „First Mate“ an Bord zu sein…

Ausgerechnet als wir das Verkehrstrennungsgebiet kreuzen wollten, schlief der Wind ein und der Motor musste gestartet werden. Erst als wir die Insel Omø erreicht hatten, konnten wir wieder segeln. Bei Wind von 11-15 m/s aus Südwest erreichten wir teilweise Spitzengeschwindigkeiten von fast 10 kn. Als wir um ca. 15 Uhr kurz vor der Hafeneinfahrt von Karrebæksminde die Segel einholten, frischte der Wind sogar bis auf über 16 m/s auf. War ja klar. Da war er wieder, unser treuer Begleiter – der Anlegewind!

Davon abgesehen herrscht in der Hafeneinfahrt zur Søfronten Marina ständig starke Strömung von bis zu 4,5 kn. Die Ansteuerung war also eine kleine Herausforderung! Schwungvoll lenkte Thue unser Elbkind ins Hafenbecken. Geschafft! Und wir hatten Glück: auf dem Steg stand ein freundlicher älterer Herr, der unsere Vorleinen entgegennahm. Ich wüsste nicht, wie unser Anlegemanöver ohne ihn ausgegangen wäre bei so viel Seitenwind.. Später stellte sich im Gespräch mit einem anderen Segler heraus, dass unserem netten Helfer der private Hafen selbst gehörte! Wahrscheinlich hatte er nur Angst um seinen Steg 😉

Als das Schiff kurze Zeit später fest vertäut und Thue zum Duschen verschwunden war, kam plötzlich richtiger Sturm auf. Die Instrumente zeigten Windgeschwindigkeiten von bis zu 25 sm, und ich war heilfroh, dass wir so früh aufgestanden waren und uns das Frühstück vor dem Ablegen verkniffen hatten. Wären wir nur eine halbe Stunde später von Svendborg ausgelaufen, hätten wir garantiert ernsthafte Probleme bekommen.

An diesem Abend verzog sich der Wind nicht mehr, obwohl die Wettervorhersage auch das anders angekündigt hatte. Frierend zuckelten wir los, um ein Restaurant für unser Abendessen zu finden, landeten im „Brohjørnet“ – dem einzigen Restaurant, das geöffnet war – und genehmigten uns einen leckeren Burger mit Pommes Frites. Auf Kalorienzählen hatten wir nach 7 Stunden Segeln und fast 45 Meilen nämlich beide keine Lust mehr. Man gönnt sich ja sonst nichts! 🙂

An diesem Abend fielen wir ziemlich erledigt in die Koje, und glücklicherweise war für Mittwoch ein Hafentag eingeplant. Morgens holte Thue Brötchen bei Enøs Bageri – ganz nebenbei die leckersten, die ich bisher in Dänemark probiert habe! Neben ihren hervorragenden Bäckern ist ein weiterer Vorteil der Enø Bageri die bedruckte Brötchentüte – bestens geeignet für die Bäckertüten-Navigation! Wer kennt sie nicht? Man läuft spät in einen fremden Hafen ein, trinkt zu viel Bier, fällt völlig groggy in die Koje und schläft wie ein Stein. Am nächsten Morgen läuft man mit abstehenden Haaren und ungeputzten Zähnen zum Bäcker und holt Brötchen. Am Frühstückstisch guckt man sich dann in Ruhe die Brötchentüte an und weiß nun auch, in welchem Hafen man gelandet ist, denn zum Glück steht der Ortsname drauf!

Navigationshilfe...
Kleine Orientierungshilfe…

Nach dem Frühstück folgte ein Spaziergang bei sonnigem Wetter. Gemütlich gondelten wir über die „Grashüpferbrücke“ und an Räuchereien vorbei den Kanal entlang.

Spaziergang am Kanal entlang
Spaziergang am Kanal entlang
Kleine Pause auf einem
Kleine Verschnaufpause auf einem „Hyttefad“, einer (sonst) schwimmenden, durchlöcherten Holzkiste zur Aufbewahrung lebender Fische
Die
Die „Grashüpferbrücke“. Ist sie nicht lustig?

Schnell kam Thue mit zwei asiatisch aussehenden Damen ins Gespräch, die damit beschäftigt waren, im flachen Wasser entlang des Ufers mit großen Keschern Krabben zu fischen. Allerdings mit mäßigem Erfolg, denn obwohl sie bestimmt schon hunderte Krabben gefangen hatten, hätte die Ausbeute noch nicht mal für ein halbes Brötchen gereicht, so mickrig klein waren die Dinger. Das war den Mädels aber offenbar egal, denn auf englisch erklärten sie uns: „No problem, it’s just for fun!“. Ein Stück weiter auf der Hafenmole begegneten wir einem stolzen Angler, der sich so sehr über seine gefangene Meeresforelle freute, dass er sie uns ungefragt sofort präsentierte.

Ansonsten war in Karrebæksminde eigentlich noch nicht viel los, bis auf ein paar Ausflugsbusse mit Rentnern. Viele Geschäfte, Restaurants und leider auch das kleine, windschiefe „Pandekagehuset“ hatten noch geschlossen.

Das Pamdekagehuset
Das Pandekagehuset

Irgendwie wirkte der Ort, der sich in den Sommermonaten vor Touristen kaum retten kann, als sei sein Winterschlaf noch nicht ganz beendet. Aber der Vorteil eines Segeltörns im Mai liegt natürlich trotzdem klar auf der Hand: man findet fast immer einen freien Hafenplatz, auch wenn man erst spät nachmittags ankommt. Außer uns gab es in Karrebæksminde höchstens zwei weitere Gastlieger.

Das einsame Elbkind in der Søfronten-Marina
Das einsame Elbkind in der Søfronten-Marina

Abends saßen wir in warme Fleecejacken eingepackt im Cockpit, weil wir uns in den Kopf gesetzt hatten, unseren Räucherfisch draußen zu essen. Anschließend haben wir uns schnell unter Deck verzogen, denn wir froren wie die Schneider. Was ist in diesem Jahr bloß mit dem Mai los? Langsam haben wir keine Lust mehr zu frieren.

Übrigens: wenn Ihr die Nase voll habt von meinen Berichten über Wind und Kälte, meckert gerne, ich bin flexibel. Unser Segleralltag wird natürlich vom Wetter bestimmt, und man staunt, wie schnell sich die Prioritäten im Leben verändern – je nachdem, womit man gerade beschäftigt ist bzw. wo und wie man sein Leben verbringt… Noch vor gut zwei Monaten hat der Büroalltag mein Leben bestimmt, jetzt sind es plötzlich die Wettergötter..

Zu guter Letzt wollen alle, die nicht fließend dänisch sprechen, vielleicht noch wissen, was es mit dem Titel dieses Blogs auf sich hat. „Det blæser en halv pelikan“ sagt man in Dänemark, wenn der Wind so pustet, dass selbst halbe Pelikane nicht mehr gegenan fliegen können… 😄