Am nächsten Morgen haben wir uns für unser Frühstück viel Zeit genommen. Noch immer war Bilderbuch-Wetter, und wir genossen Kaffee und „rundstykker“ im Cockpit – inklusive Hafenkino. Es ist ja immer wieder unterhaltsam, andere Schiffe bei ihren An- und Anlegemanövern zu beobachten. Abgesehen davon, dass wir uns gelegentlich heimlich auf die Schulter klopfen, weil wir – finden wir jedenfalls – so manches Manöver inzwischen schon viel professioneller meistern als andere, ist es auch immer wieder lustig, Studien darüber zu betreiben, wie Crews miteinander kommunizieren. Nicht selten kommt es nämlich vor, dass der Skipper seine Bordfrau anpöbelt, wenn mal eine Situation aus dem Ruder läuft. Besonders gern passiert das, wenn er selbst ein Manöver versemmelt oder vorher keine klaren Anweisungen gegeben hat. Im Zweifelsfall ist auf jeden Fall die Gattin schuld. Da ist der Fremdschäm-Faktor zwar gelegentlich ganz schön hoch, der Unterhaltungswert für’s Hafenpublikum aber auch… 😏
Damit wir uns bei unseren Hafenmanövern nicht anschreien müssen (nicht nur aus Frust, sondern hauptsächlich weil das Elbkind 12 m lang ist und der Anlegewind auch ziemlich auf die Ohren geht, wenn er direkt von vorne kommt), haben wir uns vor einiger Zeit Intercom-Kopfhörer zugelegt – eine sehr sinnvolle Investition! Die Dinger werden ja auch gern von Motorradfahrern benutzt, die unterwegs miteinander kommunizieren und dafür nicht ständig anhalten wollen. Mithilfe dieser netten technischen Errungenschaft können wir problemlos sogar bei Starkwind in Zimmerlautstärke miteinander kommunizieren, wenn ich auf dem Vorderdeck rumturne und z.B. nach freien Hafenplätzen Ausschau halte. Und niemand im Hafen kennt meinen Namen!! 😉
Am späten Vormittag rissen wir uns endlich los, und nach einem kurzen Tank-Stopp gegenüber in Årøsund ging es gemeinsam mit der Acadia, Torben und Lene unter Motor in westliche Richtung in den Haderslev-Fjord. Dieser Meeresarm ist 7 sm lang und führt direkt in den Yachthafen im Zentrum von Haderslev. Die Fahrrinne ist sehr gut betonnt, und wir tuckerten gemütlich durch die idyllische Fjordlandschaft.

Auf dem Weg nach Hadersleben findet man immer wieder Ankerbojen und Pfähle, an denen man eine Pause machen oder sogar über Nacht festmachen kann. Leider konnte ich Thue bis heute nicht dazu überreden, mal über Nacht an einer Ankerboje zu liegen. Er fühlt sich im sicheren Hafen wohler. Aber ich werde nicht aufgeben und arbeite hartnäckig daran, ihn irgendwann umzustimmen!
Unterwegs wurden wir – man kann es kaum glauben – von einem Kajakfahrer überholt, was für eine verrückte Szene! Eigentlich müsste die Höchstgeschwindigkeit von 6 kn auf dem Fjord doch für alle Wasserfahrzeuge gelten, oder was meint Ihr? Den Paddler interessierte das aber ganz offensichtlich nicht, er wirkte ausgesprochen ambitioniert und erkundigte sich, als er mit uns auf einer Höhe war, nach unserer Geschwindigkeit. Davon konnte er dann ableiten, was für einen Zacken er draufhatte. Zufrieden grinsend legte er sich anschließend noch mal richtig ins Zeug und hatte uns schnell abgehängt.
Schon nach knapp zwei Stunden Fahrt liefen wir im Yachthafen von Hadersleben ein. Es gab noch jede Menge freie Gästeplätze, und wir machten direkt vor dem Clubhaus fest. Die Kulisse erinnerte uns ein bisschen an die Atmosphäre im Tuborg Havn in Kopenhagen, denn auf der gegenüberliegenden Seite stehen moderne Mehrfamilienhäuser. Von Seglerromantik ist hier nicht besonders viel zu spüren, aber trotzdem ist der Yachthafen ruhig und gemütlich.

Zugegeben: der Weg von der Marina in die Innenstadt von Haderslev könnte netter sein. Man kann zwar noch eine Weile am Wasser entlanglaufen, endet aber irgendwann an einer vierspurigen Straße mit relativ viel Autoverkehr. Aber wenn man nach ein paar Minuten die Innenstadt erreicht hat, ist man schnell versöhnt. Hier gibt es schöne alte Fachwerkäuser, Straßen mit Kopfsteinpflaster, einen schönen Platz zum Draußensitzen mit zwei Restaurants (Vorsicht: in einem der beiden namens „Ras2ranten“ mussten wir am zweiten Abend eine geschlagene Stunde auf unser – eher mittelmäßiges – Essen warten!), viele hübsche kleine Geschäfte, den wunderschönen Dom zu Haderslev – die schönste gotische Kirche Dänemarks – und den Haderslev Dam, einen mittelalterlichen Stausee.
Und weil es so viel zu entdecken gibt, die Bordfahrräder sowieso schon ausgepackt waren und wir in letzter Zeit den Spaß am Rumtrödeln entdeckt haben, beschlossen Thue und ich, uns noch ein paar Tage Zeit zu nehmen. Wir wollten die Stadt noch ein bisschen genauer erkunden. Abends grillten wir gemütlich mit Torben und Lene im Hafen, und am nächsten Morgen brachen die beiden in Richtung Middelfart auf. Ihr Segelurlaub hatte ja gerade erst angefangen, und die beiden wollten natürlich gern noch weiter Richtung Norden – ihr Ziel war Samsø.
Ich habe Euch ja schön früher erzählt, dass Thue überall in Dänemark Leute kennt. Deshalb wundert es auch niemanden mehr, dass schon ein Telefonat reichte, damit sein früherer Schulfreund Jørgen ihn an Bord besuchte. Die beiden hatten sich nach all den Jahren, was sag‘ ich, Jahrzehnten!! natürlich jede Menge zu erzählen. Und jeder zweite Satz fing mit den Worten „kan du husk?“ (weißt Du noch?) an. Die ersten zwei Stunden habe ich die beiden in Ruhe klönen lassen, bin in der Zwischenzeit durch die Stadt gebummelt und habe mir den schönen Dom schon mal etwas näher angesehen. Ein Schild kündigte für den nächsten Tag eine kostenlose Führung an. Die wurde natürlich sofort auf unsere To-Do-Liste gesetzt!

Am nächsten Tag machten wir erst mal eine kleine Fahrradtour durch die Stadt, erst ging es durch kleine Straßen und Gassen vorbei an hübschen Fachwerkhäusern und anschließend rund um den Haderslev Dam. Wir konnten unser Glück kaum fassen: die Sonne schien noch immer!
Mittags dann die Führung durch den Dom von Haderslev, seit 1922 Bischofskirche des Bistums Haderslev. Der Rundgang, den eine ehrenamtliche Mitarbeiterin sehr professionell zweisprachig auf dänisch und deutsch durchführte, war wirklich interessant. Wir erfuhren, dass die Kirche im 13. Jh. errichtet und im 15. Jh. dreischiffig ausgebaut wurde. Während des dreißigjährigen Krieges im Jahr 1627 brannten Teile der Kirche nieder und mussten anschließend umfangreich restauriert werden. Noch heute kann man in der Außenfassade dunkle Backsteine entdecken, die bei der Restaurierung wieder verarbeitet wurden. Die vier wunderschönen Talare in den leuchtenden Farben des Kirchenjahres, die im Keller der Kirche ausgestellt sind, hat Königin Margrethe von Dänemark höchstpersönlich entworfen und an ihrer Entstehung mitgewirkt. Bei einem der Stücke wurde sogar der Stoff des Kleides verarbeitet, das sie bei ihrer Verlobung mit Prinz Henrik trug! Ist das jetzt eigentlich ein gutes oder ein schlechtes Zeichen..? 😳
Nach 3 Tagen in Haderslev guckten wir uns den Wetterbericht an und waren begeistert: Das Sommerwetter hielt weiter an! Natürlich musste es unbedingt irgendwohin gehen, wo es einen Strand gibt. Was bietet sich da an und ist nur einen Katzensprung (18 sm) entfernt? Wir mussten nicht lange überlegen: unser nächstes Ziel hieß Assens! In der Marina liegt man ruhig, es gibt einen kleinen Strand, und beim Italiener „Via Appia“ in der Stadt wird die beste Pizza gebacken, die wir jemals in Dänemark gegessen haben.
Also: Leinen los und auf nach Assens!