Anholt im Zeitraffer und ein blinder Passagier

Weil es in Århus sonnig und trotzdem einigermaßen windig gewesen war, hofften wir auf einen guten Segelwind für unseren Törn nach Anholt – immerhin um die 60 sm entfernt. Zuerst überlegten wir noch, vielleicht einen Zwischenstopp in Grenå zu machen, aber der Hafen steht grundsätzlich nicht ganz oben auf unserer Wunschliste und das sommerliche Wetter war einfach zu perfekt für einen kurzen Törn. Also auf nach Anholt! Am Ende des Tages sind wir neun Stunden auf dem Wasser gewesen und die Zeit ist uns überhaupt nicht lang geworden. Allerdings hat es nicht lange gedauert bis der Wind abflaute, und wir – wieder mal – den Motor starten mussten. Murphys Law? Gefühlt ist es nämlich so: wenn wir an Land sind, bläst der Wind wie verrückt. Kaum sind wir aber unterwegs und wollen segeln, geht dem himmlischen Kind oft die Puste aus. Auch egal, schließlich lachte die Sonne vom blauen Himmel und wir tuckerten gemütlich in Richtung Anholt. Nach ein paar Stunden näherte sich von hinten ein Tankschiff, das unser elbkind irgendwie auf dem Kieker hatte. Erst dachten wir noch, der Kapitän macht vielleicht gerade Mittagspause und hat uns deshalb nicht so richtig auf dem Schirm. Aber schon nach kurzer Zeit fühlten wir uns wie Dr. Kimble auf der Flucht, denn immer wenn wir unseren Kurs geändert haben, um ihm auszuweichen, entschied sich unser Verfolger, es uns gleichzutun. Was war denn da los? Weit und breit war kein anderes Schiff in Sicht, und das Wasser war auch tief genug. Es gab also überhaupt keinen Grund für seine eigenartigen Manöver. Am Ende haben wir einfach unser Tempo gedrosselt und die Nervensäge schräg vor uns durchlaufen lassen. Wahrscheinlich hat sich der Kapitän nur einen Scherz mit uns erlaubt, weil ihm gerade langweilig war. 😉

Immer diese Drängler!
Dichter geht’s kaum. Immer diese Drängler!
Gegen 18.00 Uhr waren wir auf Anholt fest. Unsere Stegnachbarn, ein nettes deutsches Ehepaar mit einer Comfortina, nahmen unsere Leinen an. Dann wurde das elbkind vom Steg aus noch einmal nach hinten gefiert, denn Thue wollte lieber eine Leine als den Ankerhaken an der Heckboje befestigen. Falls der Wind beim Ablegen zu kräftig weht, ist die Leine beim Ablegen ja viel leichter gelöst als der Haken. Mein smarter Skipper denkt eben immer mit… 😇

Dann wurde erstmal unser Hocker rausgekramt. Er kann zusammenklappt werden , wohnt im Ankerkasten und kommt immer dann zum Einsatz, wenn wir an einem Schwimmsteg anlegen. Dieses überaus nützliche Schätzchen haben wir uns vor ein paar Jahren zugelegt, nachdem wir in der Marina von Fåborg bei Hochwasser kaum noch an Bord klettern konnten. (Hoffentlich hat uns damals niemand beobachtet, das Ganze war an Situationskomik nämlich kaum noch zu überbieten). 🙃

Nachdem wir das Schiff aufgeklart hatten, war dringend ein Anlegebier fällig. Noch in Segelklamotten ging es schnurstracks rüber zur Hafenkneipe „Hele Molevitten“. Von unserem letzten Anholt-Besuch hatten wir nämlich noch das ultimative Happy-Hour-Angebot in bester Erinnerung: zwei Bier zum Preis von einem, und das ist bei den gepfefferten dänischen Preisen ein echtes Schnäppchen.🍻 Das Angebot war zwar leider nicht mehr aktuell, aber ein kühles Bierchen wurde trotzdem gezischt. Besonders viel war nicht los im Hafen und es war deutlich spürbar, dass noch Vorsaison war. Während der Sommerferien in Dänemark und Schweden kann man auf Anholt nämlich trockenen Fußes übers Hafenbecken gehen, weil es so picke-packe-voll ist, dass die meisten Schiffe im Päckchen liegen müssen.

Am nächsten Morgen nach dem Frühstück haben wir einen ausgiebigen Spaziergang durch die schöne Natur rund um den Hafen gemacht und aus der Ferne den herrlichen Ausblick auf den Hafen im Bild eingefangen. Nachmittags ging es dann barfuß am Strand entlang. Meine Lieblingsbeschäftigung: Nach Hühnergöttern Ausschau halten, kennt Ihr diese schönen, dekorativen Lochsteine? Zuhause habe ich schon einige Exemplare auf ein Band gezogen und an unserem Gartenhaus aufgehängt – das soll nämlich Glück bringen und den bösen Blick abwenden. Aber auch an einem Lederband um den Hals der Bordfrau kommen die besonderen Strand-Fundstücke ganz groß raus…👍🏼😊

Nach nur zwei Nächten auf meiner Trauminsel rief Thue morgens seine Crew (also mich) zusammen und es wurde Kriegsrat abgehalten. Mein Skipper machte sich nämlich Sorgen wegen der Windvorhersage für die nächsten Tage. Ein markantes Sturmtief war angesagt, und weil Thue keine Lust hatte, bei grauem Himmel, Starkwind und frischen Temperaturen tagelang auf Anholt einzuwehen, musste die Bordfrau schließlich klein beigeben. Dabei wäre ich so gern noch mal zum Leuchtturm gewandert, dem einzigen Ort in Dänemark, an dem man Seehunde vom Land aus beobachten kann! 😢 Aber die allererste Grundregel an Bord ist nun mal, dass der Skipper immer recht hat, und deshalb haben wir gemeinsam entschieden, erstmal wieder in südliche Richtung zu segeln. Gilleleje oder Helsingør hatten wir im Visier, je nachdem, wie’s läuft mit der Segelei und wie es um unsere Motivation bestellt ist.

Gegen 10.30 Uhr ließen wir Anholt im Kielwasser liegen. Anfangs wehte der Wind noch moderat um die 5 bis 6 m/s, Großsegel und Fock waren oben und wir konnten bei ca. 6 kn auf Amwindkurs segeln. Optimale Bedingungen, nur leider nicht von langer Dauer. Wie war das noch mit Murphy’s Law? Nach einer guten Stunde starb der Wind beinahe ab und wir mussten wieder mal den Volvo mitlaufen lassen. So viel wieder mal zur Zuverlässigkeit der Wetterseiten im Internet. DMI, YR.NO, Windguru & Co. können uns wirklich bald mal den Buckel runterrutschen.

Ganz überraschend bekamen wir Besuch an Bord! Ein völlig zerzauster, grünlich gefärbter Piepmatz* landete plötzlich auf dem Vorderdeck und es dauerte gar nicht lange, bis er sich sogar bis zu uns ins Cockpit vorwagte. Der kleine Kerl war erstaunlich zutraulich, ganz offensichtlich war ihm sein natürlicher Fluchtinstinkt völlig abhanden gekommen, weil er total erschöpft war. Die angebotenen Brötchenkrümel und Wasser gegen den Durst interessierten ihn überhaupt nicht; stattdessen inspizierte er das Cockpit, hopste vom Steuerrad zur Winsch, saß auf den Leinen, guckte neugierig ins Schwalbennest und wagte sich anschließend sogar bis unter die Sprayhood vor. Wir hatten den kleinen Kerl sofort ins Herz geschlossen und freuten uns über die Abwechslung. Als wir ihn gerade adoptieren wollten, hat er sich leider entschieden, weiterzufliegen. Dabei waren wir 15 sm von Anholt entfernt, das war ziemlich mutig von ihm. Hoffentlich hat er es bis ans rettende Land geschafft.

Nach knapp 60 sm hatten wir Helsingør endlich erreicht – einen der größten Jachthäfen Dänemarks. Obwohl der Hafen über 900 Liegeplätze hat, kurven wir jedes Mal ewig herum, bevor wir endlich eine passende Box finden. Die meisten Plätze sind nämlich von Festliegern belegt, nicht auf grün umgestellt, zu kurz, zu schmal, die Wassertiefe der Hafengassen reicht nicht aus oder dem Skipper gefällt die Windrichtung nicht (er möchte nämlich am liebsten im Windschatten im Cockpit sitzen). Irgendwann haben wir es dann doch geschafft und das elbkind war am Steg fest. Da war es schon fast 21.00 Uhr, und sofort ging es im Stechschritt in die Stadt. Wir brauchten dringend noch irgendwas Warmes auf die Gabel. Und was schmeckt nach so einem langen Tag auf dem Wasser am besten? Junkfood natürlich! Wir bestellten einen Burger mit doppelt Käse, Bacon und Country Potatoes. Natürlich kalorienfrei. 🍔🙃

Route Anholt Helsingør

Nun konnten wir uns auf ein paar abwechslungsreiche Tage in Helsingør freuen. Zuletzt hatten wir die schöne Stadt an der schmalsten Stelle des Øresunds vor zwei Jahren besucht und waren happy, dass wir uns noch rechtzeitig vor dem Sturm retten konnten. Ausnahmsweise stimmte nämlich die Wettervorhersage mal.

*Weil wir gern wissen wollten, um was für ein Vögelchen es sich bei unserem blinden Passagier eigentlich gehandelt hat (das hat man davon, dass man damals im Bio-Unterricht nicht aufgepasst hat!) habe ich spätabends ein Foto an Jürgen vom Linsenfutter-Blog gemailt. Jürgen kennt sich nämlich in der Tierwelt bestens aus und erfreut uns täglich mit seinen schönen Fotos und Berichten. Gleich früh am nächsten Morgen war seine Antwort da: unser kleiner Freund muss ein Zilpzalp gewesen sein. So lernt man immer was dazu. Lieben Dank, Jürgen! 👍🏼

Dieser besondere Tag im Frühling…

… auf den wir jedes Jahr so sehnsüchtig warten, war Mitte April endlich da – unser Highlight, der Krantermin! In den letzten Monaten hat besonders mein Skipper kaum an etwas Anderes denken können. Am liebsten hätten wir unser elbkind ja schon vor Ostern wieder im Wasser gehabt, aber wir waren offenbar nicht die einzigen – alle Termine waren leider schon ausgebucht, als wir im März angefragt haben 😐. Aber bei dem unbeständigen Aprilwetter war das gar nicht so tragisch, zuhause hatten wir eigentlich noch genug zu tun.

Liebe Segler, kennt Ihr das eigentlich auch, dass Euer Keller im Winter nach und nach zu einem Lagerraum für Schiffszubehör mutiert? Wir konnten jedenfalls zum Schluss kaum noch einen Fuß vor den anderen setzen. Das Bettzeug und die Bordfahrräder nehmen wir im Herbst sowieso immer mit nachhause, damit Spak und Schimmel keine Chance haben. Und natürlich wurde im Laufe der vergangenen Monate auch das eine oder andere Teil angeschafft und im Keller zwischengelagert. Ein Ausdehnungsgefäß für die Wasserpumpe, Schwämme, Schäkel, Schläuche, Gasflaschen, Klamotten, ein Sonnenschirm fürs Cockpit, usw. usf. Außerdem hatte mein Skipper über Ebay Kleinanzeigen z.B. eine 30 m lange Ankerkette zum Schnäppchenpreis von 60 € ergattert. Für den Transport dieses Zubehörs sind gut trainierte Oberarme übrigens unbedingt von Vorteil. 💪🏼😉 Als der heißersehnte Tag dann feststand und Thue anfing, das Auto zu beladen, waren wir wirklich happy, dass sich die Sitze umklappen ließen. 😉

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Hab‘ mein‘ Wagen vollgeladen…
Krantermin in Dyvig bedeutet für uns normalerweise, dass wir früh aus den Federn müssen, wenn wir live dabeisein wollen. Da klingelt der Wecker dann gern schon mal um 4 Uhr morgens, denn wir müssen ja noch gute zwei Stunden Fahrtzeit bis nach Dänemark einplanen. Dieses Frühjahr hatten wir dazu aber keine Lust. Stattdessen haben wir uns einen Wunsch erfüllt: eine Übernachtung im sündhaft teuren Dyvig Badehotel auf der anderen Seite der Bucht. Die Vorfreude war groß!

Dienstagmorgen nach dem Frühstück machten wir uns auf nach Dänemark, und als wir im Hafen ankamen, wartete das elbkind auch schon auf uns.

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Wiedersehensfreude pur..!
Als wir das Unterwasserschiff inspizierten, ist uns sofort die neue Propeller-Oberfläche aufgefallen – pechschwarz und merkwürdig gummiartig. Unser Bootsbauer hatte uns schon darauf vorbereitet, dass er in diesem Jahr an einigen Schiffen ein neues Produkt von Hempel testen will, das den Bewuchs von Seepocken verhindern soll. Im vergangenen Jahr haben wir diesbezüglich ja leider eher schlechte Erfahrungen gemacht…

Laut Beschreibung des Herstellers wird das Produkt auf Silikon- und Hydrogelbasis hergestellt, ist biozidfrei und verleiht der Oberfläche wasserähnliche Eigenschaften. Damit sollen sich bewuchsbildende Organismen nicht mehr so leicht am Rumpf ansiedeln und fallen schnell ab, sobald das Boot in Bewegung ist. Geeignet ist es sowohl für Segel- als auch für schnelle Motorboote. Nur für Oberflächen aus Holz ist es nicht brauchbar. Bewuchs soll sich leicht entfernen lassen, und die Beschichtung lässt sich problemlos erneut auftragen. Hydrogel basiert auf nicht reaktiven Polymeren, die dem Anstrich hinzugefügt werden und eine unsichtbare Schutzschicht zwischen der Rumpfoberfläche und dem Wasser bilden. Bewuchsbildende Organismen nehmen den Rumpf als Flüssigkeit wahr und haften so viel seltener an. Wir sind gespannt, ob die Oberflächenbehandlung nun tatsächlich den Durchbruch bringt. Schön wär’s ja…

Nachdem wir über eine Leiter schon einige Taschen und Klamotten an Bord gehievt hatten, haben wir endlich auch den sympathischen neuen Hafenmeister Erling kennengelernt und ein bisschen mit ihm geklönt. Das Hafenmeisterbüro und der kleine Havne Brugsen haben sich deutlich positiv verändert und es war spürbar, dass in Dyvig nun wirklich wieder ein „frischer Wind“ weht. Bei Erling und seiner Frau Helle könnt Ihr  jetzt übrigens auch frisch gebrühten Kaffee kaufen. „Is, Øl og kaffe, det sælger altid!“ (Eis, Bier und Kaffee gehen immer) meint er, und recht hat er. 👍🏼 Das wird bestimmt hyggelig!

Nach unserer kleinen Stippvisite im Hafen haben wir im Dyvig Badehotel auf der anderen Seite der Bucht eingecheckt. Schon ein paarmal hatten wir im Hotel-Restaurant „Skipperstuen“ gut gegessen, und am Karfreitag 2011 sogar das Glück, bei strahlendem Sonnenschein mit Familie und Freunden die Schiffstaufe unseres ersten elbkinds, einer Nordborg 32, auf der Hotelterrasse feiern zu können – bei Temperaturen um die 20 Grad. Von derartig sommerlichen Momenten war der April 2017 ja leider weit entfernt… 😐 In diesem Jahr hoffen wir (wieder mal) auf einen schönen Sommer – die Wetterprognose für Mai, Juni und Juli in Dänemark sieht jedenfalls ganz vielversprechend aus. ⛵️☀️🇩🇰

Die nette Dame am Empfang des Badehotels empfing uns freundlich, und sofort fiel mir die geschmackvolle Frühlingsdeko im Foyer ins Auge – zarte, bezaubernde, wunderhübsche Schachbrettblumen! Duplizität der Ereignisse, denn gerade hatte ich auf dem Weg nach Dänemark  Stefanie’s Bericht über die Schachbrettblumenwiesen im Junkernfeld gelesen und mich sofort in diese besondere Blume verliebt. Stefanie würde wahrscheinlich sagen „schockverliebt“…

Unser Zimmer überzeugte mit geschmackvollem Interieur, einem waaaahnsinnig gemütlichen Bett und viel Liebe zum Detail. Wir fühlten uns auf Anhieb zuhause und haben am Fenster den herrlichen Blick über die Dyvig Bucht genossen. Später am Abend waren wir mit unseren „zukünftigen Ex-Segelfreunden“ Torben und Lene zum Essen verabredet. Leider haben die beiden sich entschieden, ihr Schiff zu verkaufen und sich stattdessen ein Sommerhaus zuzulegen. Und wir sind richtig traurig!

Am nächsten Morgen waren wir um halb sieben die ersten Gäste im Frühstücksraum. Schade, dass die Zeit viel zu knapp war, um das schöne Ambiente so richtig zu genießen. Aber auf der anderen Seite der Bucht warteten ja schon ein Kranwagen, das Nordborg-Team und jede Menge Arbeit auf uns…

To make a long story short: Alles hat reibungslos geklappt, das elbkind hat endlich wieder Wasser unterm Kiel, der Mast ist gesetzt, die Segel sind angeschlagen, das Schiff ist blitzsauber, die Betten sind bezogen und am Ende des Tages hatte ich lt. Schrittzähler fast 10 km auf der Uhr.

Jetzt warten wir noch ein paar Tage ab, bis es etwas wärmer wird und die nächtlichen Temperaturen wieder zuverlässig über dem Nullpunkt bleiben 🙃. Und spätestens Mitte Mai wollen wir wieder los. Wenn Wind und Wetter mitspielen, soll es durch den kleinen Belt in nördliche Richtung gehen; erklärte Wunschziele sind Samsø und Anholt, denn beide Inseln mögen wir wirklich sehr. Von Skagen wollen wir rüber nach Schweden segeln, die Küste entlang und dann weiter durch den Øresund nach Kopenhagen. Vielleicht landen wir in diesem Sommer ja sogar mal im Christianshavn? Ich hätte Lust. Ihr werdet es erfahren…! 😊

Kurzer Abstecher nach Helsingborg

Das Wetter während unseres Sommertörns 2016 war ja eher… naja, ich würde mal sagen, es gab noch Luft nach oben. Stefanie spricht mir da mit ihrem Beitrag zum Thema Wetter  Mich wundert, dass ich fröhlich bin… so richtig aus dem Herzen. Sie schreibt darin zwar über den Sommer in Norddeutschland, aber der unterscheidet sich ja nicht großartig vom dänischen. Alle Jahre wieder hoffen wir Segler auf ein stabiles Azorenhoch, das sich wochenlang über der nördlichen Halbkugel hält. Mit strahlendem Sonnenschein, wolkenlosem blauen Himmel und moderatem Segelwind, der immer aus der richtigen Richtung weht…

Die Realität im Juli und August sah völlig anders aus, im Øresund haben wir uns vom Wetter beinahe fremdbestimmt gefühlt. Wochenlang blies der Wind kräftig aus Südwest, und das war genau die falsche Richtung für unsere Törnplanung. Außerdem hat es so oft geregnet, dass wir tagelang unter der Kuchenbude gesessen haben. Auch Gewitter waren keine Seltenheit, und die kann mein Skipper ja gar nicht leiden – am liebsten flüchtet er von Bord, wenn es blitzt und donnert. Kurz: wir hatten die Faxen ganz schön dicke, hätten am liebsten den Rückzug angetreten und wären zurück nach Dyvig gesegelt. Nur das lag mit knapp 200 sm ja auch nicht gerade um die Ecke…😬

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Sommer 2016 – die typische Wetterlage…

Von Humlebæk aus wollten wir eigentlich weiter in nördliche Richtung und unser Plan war, erst nach Helsingborg in Schweden und anschließend nach Anholt zu segeln. Im Frühsommer 2015 hat das Wetter sogar mal kurz mitgespielt und wir haben es tatsächlich bis zu unserer Lieblingsinsel im Kattegat geschafft. Diesmal lief es eher suboptimal. Es ging damit los, dass auf unserem Törn nach Helsingborg der Wind nur ein paar Minuten nach dem Auslaufen einschlief. Schöner Start! Natürlich haben wir nicht gleich aufgegeben, aber als das Schiff nach kurzer Zeit sogar anfing, rückwärts zu treiben, blieb uns nichts anderes übrig, als den Volvo zu bemühen. Keine Chance,  das Segeln konnten wir uns abschminken. Übrigens eine typische Situation in diesem Sommer – entweder Flaute oder zu viel Wind. Als wir Helsingør erreicht hatten, haben wir das Verkehrstrennungsgebiet fast rechtwinklig überquert. Auf der kurzen Strecke zwischen Helsingør und Helsingborg pendeln die Autofähren beinahe im Minutentakt (jedenfalls gefühlt), und auch sonst war einiges an Berufsschifffahrt und Sportbooten unterwegs. Etwas kniffelig, aber mein Steuermann hat die Situation wieder mal souverän gemeistert. 👍🏼😎

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Von Humlebæk nach Helsingborg

 

Helsingborgs Nora Hamnen Marina wurde 2005 mit dem Preis „goldener Hafen des Jahres“ ausgezeichnet. Direkt am Hafen liegen ein Wohngebiet und schöne Restaurants. Auf der westlichen Seite gibt es sechs Schwimmstege (Fingerstege mit Auslegern), die Liegeplätze sind rot/grün gekennzeichnet. Die östliche Kaimauer ist vorwiegend für Gäste gedacht und für alle Bootsgrößen geeignet; der Tiefgang im gesamten Hafen beträgt entspannte 4 m.

Als wir einliefen, herrschte sowohl in der Hafeneinfahrt als auch im Hafenbecken eine starke Strömung. Unentschlossen schipperten wir hin und her und überlegten, wo wir festmachen sollen. Mit den Auslegern an den Schwimmstegen kannten wir uns nämlich überhaupt nicht aus, am Ende haben wir uns dann doch getraut. Etwas gewöhnungsbedürftig, aber nach ein bisschen Fummelei mit den Achterleinen war unser elbkind sicher am Schwimmsteg fest.

 

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Helsingborgs Norra Hamnen
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Der westliche Teil des Hafens mit Schwimmstegen

 

Schnell war klar, dass wir wegen der Wetterlage nur eine einzige Nacht in Helsingborg bleiben konnten. Schade, denn der Norra Hamnen hat uns wirklich gut gefallen. Im Duschhaus gab es sogar eine Sauna, der pure Luxus! Außerdem hätte es viel zu gucken gegeben in Helsingborg: das Schloss Sofiero mit seinem Schlosspark, der als einer der schönsten Europas gilt, Dunkers Kulturhaus direkt am Hafen, das Freilichtmuseum Frederiksdal mit botanischem Garten, Cafés und Läden…

Wenigstens haben wir es noch geschafft, den mittelalterlichen Aussichtsturm Kärnan in der Innenstadt zu besuchen. Aber das war’s dann auch schon mit unserem Sightseeing in Helsingborg. Memo an mich: Helsingborg unbedingt noch mal besuchen!

 

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Der Kärnan, Helsingsborgs Wahrzeichen

 

Ein kleines Wetterfenster am nächsten Tag war unsere einzige Chance, nicht in Helsingborg einzuwehen. Allerdings war Plan B angesagt, denn es ging nicht in nördliche, sondern wieder zurück in südliche Richtung! Für den Bereich Kattegat waren nämlich 10-12 m/s aus West angesagt, damit hatte sich Anholt erledigt. Na gut, dann wenigstens unter vernünftigen Bedingungen wieder zurück nach Kopenhagen. Aber selbst das gestaltete sich schwieriger als gedacht. Immer wieder saß Thue vor seinem Tablet, um die Wettervorhersagen sämtlicher Online-Wetterportale zu vergleichen, aber DMI, YR.NO und Windguru konnten sich nicht einig werden. Irgendwann war uns dann alles egal, wir haben einfach nur noch in den Himmel geguckt und einen dicken Wolkenbruch am späten Vormittag abgewartet. Dann haben wir schnell ein Reff ins Groß gebunden, sind in unser Ölzeug gesprungen und losgesegelt.

 

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Wolkenbruch am Mittag

 

Auf Amwindkurs ging es entlang der Øresundküste zurück nach Kopenhagen. An steuerbord zogen die Häfen Humlebæk, Nivå (Thues alte Heimat), Rungsted und Vedbæk an uns vorbei. Eine zeitlang sind wir noch mit Fock und Groß gesegelt, aber als der Wind weiter auffrischte, haben wir das Vorsegel doch lieber eingerollt. Im Tuborg Havn wurden wir vom Hafenmeister und unseren Segelfreunden Carl und Pia begrüßt. Mittlerweile kamen wir uns fast schon vor wie Festlieger… 😬

 

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Von Helsingborg zurück zum Tuborg Havn

 

Diese Erfahrung fällt eindeutig in die Kategorie: „Nimm di nix vör, dann sleit di nix fehl“. Frei übersetzt für Nicht-Plattdeutsche: „Nimm Dir nichts vor, dann kann auch nichts schiefgehen“. Richtige Salzbuckel machen keine Pläne, sondern segeln einfach los und gucken mal, wohin der Wind sie weht. Das müssen wir wohl noch verinnerlichen.. 😄

Anholt – kleines Inselparadies im Kattegat

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Unsere Route von Gilleleje nach Anholt

Eigentlich sollte es ja nach Grenå gehen am letzten Montag, aber dann kam doch wieder mal alles anders. Plötzlich passte die Windrichtung, um nach Anholt zu segeln. Und die Sonne schien auch – hurra! Langsam kam tatsächlich etwas Sommerferien-Feeling auf. Die Windstärke ließ allerdings schnell zu wünschen übrig, so dass wir die meiste Zeit auf der fast 49 sm langen Strecke den Motor mitlaufen lassen mussten.

Auf halber Strecke dann plötzlich Aufregung. Schon eine ganze Weile hatten wir eine Rauchsäule am Horizont beobachtet und uns gefragt, ob ein großer Dampfer derartig viel Rauch produzieren kann… irgendwie eigenartig!  Dann plötzlich eine Anfrage von Lyngby Radio über Funk: ob es evtl. Schiffe gebe, die in der Nähe von Anholt eine Rauchsäule beobachten? Bevor wir das Funkgerät in die Hand nehmen konnten um zu antworten, purzelten schon die Antworten diverser Schiffe rein. Ja, so wie es aussehe, brenne dort ein Schiff.

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Gespannt verfolgten wir den Funkverkehr und es stellte sich heraus, dass tatsächlich ein Segelboot in Flammen stand. Die Besatzung, die aus nur einem Mann bestand, hatte sich schon in einem Schlauchboot in Sicherheit gebracht. Ein Rettungsboot von Anholt rückte aus, nahm den Mann an Bord und brachte ihn zurück auf die Insel. Dort war inzwischen ein Rettungshubschrauber mit einem Arzt an Bord am Strand gelandet. Der Patient wurde medizinisch versorgt, war aber glücklicherweise nicht ernsthaft verletzt. Wirklich sehr beeindruckend, wie professionell die ganze Rettungsaktion abgewickelt wurde. Das Schiff war leider nicht mehr zu retten und ist nur kurze Zeit später gesunken; der Grund für das Feuer war ein Motorbrand. Nach diesem Erlebnis habe ich mich bei Thue erst mal erkundigt, wo eigentlich unsere Feuerlöscher an Bord untergebracht sind..?!

Nach achtstündiger Fahrt liefen wir dann endlich im Hafen von Anholt ein. Unterwegs hatten wir uns telefonisch noch schnell ein paar Tipps von unserem Segelfreund Hein Mück geholt, denn das Anlegen auf Anholt funktioniert – anders als in den meisten dänischen Häfen – mit Heckbojen. Außerdem kennt sich Hein im Hafen aus wie in seiner eigenen Westentasche. Wir folgten seinem Rat und legten mit dem Bug nach Westen in der ersten Hafengasse hinter der Mole an. Alles klappte wie am Schnürchen, und ich habe den Ring an der Heckboje gleich beim ersten Versuch erwischt!

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Eine Heckboje (man beachte das spiegelglatte Wasser!)

Das also war Anholt – endlich waren wir auch mal hier gelandet. Wir hatten schon so viel gehört, und nun konnten wir nachvollziehen, warum sich so viele Segler – vor allen Dingen Hein und Rosi, die jeden Sommer unbedingt hierher müssen 😉 so sehr von dieser wunderschönen kleinen Insel im Kattegat angezogen fühlen: es ist so still hier, so grün, so idyllisch, die Vögel singen, die Strände sind menschenleer, es gibt Seehunde, die Landschaft ist außergewöhnlich, die Luft glasklar und das Licht irgendwie magisch. Ganz unvermittelt fühlte ich mich in meine Kindertage zurückversetzt und erinnerte mich an die Urlaube mit der Familie an der Westküste Dänemarks, in Søndervig und Hvide Sande. Auf Anholt roch es ganz genauso! Irgendwie lustig, wodurch Erinnerungen plötzlich „wachgeküsst“ werden. Anholt hat übrigens 160 Einwohner, in der Dorfschule werden 16 Kinder gemeinsam unterrichtet und in diesem Jahr gab es genau einen Konfirmanden.

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Der Hafen von Anholt

Nach einem kleinen abendlichen Spaziergang durch die Natur (unterwegs sind wir einem Hasen begegnet, der so riesengroß war, dass wir ihn auf den ersten Blick für ein Känguru gehalten haben – kein Scherz!) gab es zum Abendessen marinierte Heringe und Samsø-Kartoffeln an Bord. Anschließend saßen wir in der Abendsonne bei Tuborg und Rotwein im Cockpit und waren fassungslos, denn es war – windstill. Es wehte nicht! Kein Wind, noch nicht einmal das kleinste Lüftchen! Was für eine Wohltat nach fast 5 windigen Wochen an Bord!

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Das Elbkind neben seinen Nachbarn im Hafen von Anholt

Am nächsten Tag haben wir Anholt zu Fuß erkundet. Wie gut, dass ich mir in Helsingør gute, bequeme Wanderschuhe zugelegt habe! Thue hat zwar leider noch immer „Knie“, aber Bewegung soll ja bekanntlich gut tun, und er beißt tapfer die Zähne zusammen. Zum Thema Knie-Therapie später mehr…*

Unterwegs fiel unser Blick auf dieses Schild an einer Holzhütte:

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Leider war nicht vermerkt, wohin ich die Fotos von Elbkind und dem Volvo-Penta-Motor schicken soll. Da hat Thue dann wohl gerade noch mal Glück gehabt und das Elbkind und ich sind ihm erhalten geblieben. 😉

Guckt Euch mal das nächste Foto an. Dieser gefiederte Freund krähte so lautstark, dass wir fanden, er könnte problemlos auch als Haushund durchgehen und mit seiner kräftigen Stimme ungebetene Gäste verjagen. Wir kriegten jedenfalls einen richtigen Schreck, als wir nichtsahnend durch das kleine Dorf latschten und plötzlich lautstark aus dem Gebüsch angekräht wurden!

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Der gefiederte Wachhund…

An den folgenden beiden Tagen standen ein langer Strandspaziergang (10 km – hat da jemand „Knie“ gesagt?) und eine ausgiebige Tour mit den Bordfahrrädern über die Insel auf dem Programm. Besonders beeindruckt hat uns die Aussicht vom Sønderbjerg, dem höchsten Punkt der Insel (48 m), über das Wasser und die einmalige Landschaft.

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Traumhafter Ausblick vom Sønderbjerg
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Strandspaziergang – 10 km gelaufen und nur 4 Leute von Weitem gesehen!
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Eine lebendige Fundsache…was für eine tolle, leuchtende Farbe!
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Selfie am Strand – wir fühlen uns pudelwohl auf Anholt!

Nachmittags fanden wir uns pünktlich zur Happy Hour im Hafenrestaurant „Molevitten“ ein und zischten schon gegen 17.00 Uhr bei schönstem Sonnenschein und Hafenblick ein leckeres Tuborg Classic zum halben Preis. Das Leben kann so schön sein!

Das Wetter war durchgängig schön. Endlich schien die Sonne mal längere Zeit, und wir mussten nicht mehr darüber nachdenken, wie viele Schichten Fleece wir uns über die Knochen reißen müssen. Im Gegenteil, sogar T-Shirts mit kurzen Ärmeln wurden rausgekramt und abends konnten wir grillen! Nur in der dritten Nacht kam plötzlich viel Wind auf, und der arme Thue musste nachts um halb 3 auf dem Deck rumturnen, um Springleinen zu legen, weil das Elbkind in den Steg gedrückt wurde. Ich schnarchte währenddessen in meiner Koje und bekam nichts davon mit. Wahrscheinlich hat das hat etwas mit dem sogenannten „selektiven Gehör“ zu tun. Wachen junge Väter etwa nachts auf, wenn das Baby schreit und eine Mahlzeit an Muttis Brust einfordert? Natürlich nicht, denn sie sind ja nicht zuständig… 😉

Am Samstagmorgen ging es dann gemütlich unter Motor (kein Wind – Ihr wisst ja: es weht immer zu viel oder zu wenig) nach Grenå, denn die Wetterdienste hatten das nächste Tiefdruckgebiet mit Regen und Starkwind angekündigt, und wir hatten keine Lust, dem schlechten Wetter mitten im Kattegat ausgesetzt zu sein.

Anholt ist wirklich einen Besuch wert und hat uns ausgesprochen gut gefallen. Wir kommen ganz sicher wieder, allerdings bestimmt nicht während der Sommerferien in Skandinavien, denn dann ist die Insel völlig überlaufen und der Hafen so voll, dass man garantiert im Päckchen liegen muss – und das ist so gar nicht unser Ding.

*Noch ein Wort zum Thema Skipper-Knie: zuerst einmal ganz lieben Dank für Eure netten Genesungswünsche, Ratschläge, Empfehlungen, Medikamente-und Therapie-Tipps.Thue hat nicht lange überlegt und sich für Angelika’s Therapie-Vorschlag entschieden, denn sie ist schließlich Physiotherapeutin und kommt vom Fach. Und das funktioniert folgendermaßen: das Knie soll von der Innenseite aus nach außen in Richtung Oberschenkel ausgestrichen werden. Diese Methode soll zuverlässig helfen. Thue ist allerdings fest davon überzeugt, dass die Behandlung nur von warmen, weichen Frauenhänden durchgeführt werden kann, damit eine Besserung eintritt. War doch klar, oder? 😉