Anholt im Zeitraffer und ein blinder Passagier

Weil es in Århus sonnig und trotzdem einigermaßen windig gewesen war, hofften wir auf einen guten Segelwind für unseren Törn nach Anholt – immerhin um die 60 sm entfernt. Zuerst überlegten wir noch, vielleicht einen Zwischenstopp in Grenå zu machen, aber der Hafen steht grundsätzlich nicht ganz oben auf unserer Wunschliste und das sommerliche Wetter war einfach zu perfekt für einen kurzen Törn. Also auf nach Anholt! Am Ende des Tages sind wir neun Stunden auf dem Wasser gewesen und die Zeit ist uns überhaupt nicht lang geworden. Allerdings hat es nicht lange gedauert bis der Wind abflaute, und wir – wieder mal – den Motor starten mussten. Murphys Law? Gefühlt ist es nämlich so: wenn wir an Land sind, bläst der Wind wie verrückt. Kaum sind wir aber unterwegs und wollen segeln, geht dem himmlischen Kind oft die Puste aus. Auch egal, schließlich lachte die Sonne vom blauen Himmel und wir tuckerten gemütlich in Richtung Anholt. Nach ein paar Stunden näherte sich von hinten ein Tankschiff, das unser elbkind irgendwie auf dem Kieker hatte. Erst dachten wir noch, der Kapitän macht vielleicht gerade Mittagspause und hat uns deshalb nicht so richtig auf dem Schirm. Aber schon nach kurzer Zeit fühlten wir uns wie Dr. Kimble auf der Flucht, denn immer wenn wir unseren Kurs geändert haben, um ihm auszuweichen, entschied sich unser Verfolger, es uns gleichzutun. Was war denn da los? Weit und breit war kein anderes Schiff in Sicht, und das Wasser war auch tief genug. Es gab also überhaupt keinen Grund für seine eigenartigen Manöver. Am Ende haben wir einfach unser Tempo gedrosselt und die Nervensäge schräg vor uns durchlaufen lassen. Wahrscheinlich hat sich der Kapitän nur einen Scherz mit uns erlaubt, weil ihm gerade langweilig war. 😉

Immer diese Drängler!
Dichter geht’s kaum. Immer diese Drängler!
Gegen 18.00 Uhr waren wir auf Anholt fest. Unsere Stegnachbarn, ein nettes deutsches Ehepaar mit einer Comfortina, nahmen unsere Leinen an. Dann wurde das elbkind vom Steg aus noch einmal nach hinten gefiert, denn Thue wollte lieber eine Leine als den Ankerhaken an der Heckboje befestigen. Falls der Wind beim Ablegen zu kräftig weht, ist die Leine beim Ablegen ja viel leichter gelöst als der Haken. Mein smarter Skipper denkt eben immer mit… 😇

Dann wurde erstmal unser Hocker rausgekramt. Er kann zusammenklappt werden , wohnt im Ankerkasten und kommt immer dann zum Einsatz, wenn wir an einem Schwimmsteg anlegen. Dieses überaus nützliche Schätzchen haben wir uns vor ein paar Jahren zugelegt, nachdem wir in der Marina von Fåborg bei Hochwasser kaum noch an Bord klettern konnten. (Hoffentlich hat uns damals niemand beobachtet, das Ganze war an Situationskomik nämlich kaum noch zu überbieten). 🙃

Nachdem wir das Schiff aufgeklart hatten, war dringend ein Anlegebier fällig. Noch in Segelklamotten ging es schnurstracks rüber zur Hafenkneipe „Hele Molevitten“. Von unserem letzten Anholt-Besuch hatten wir nämlich noch das ultimative Happy-Hour-Angebot in bester Erinnerung: zwei Bier zum Preis von einem, und das ist bei den gepfefferten dänischen Preisen ein echtes Schnäppchen.🍻 Das Angebot war zwar leider nicht mehr aktuell, aber ein kühles Bierchen wurde trotzdem gezischt. Besonders viel war nicht los im Hafen und es war deutlich spürbar, dass noch Vorsaison war. Während der Sommerferien in Dänemark und Schweden kann man auf Anholt nämlich trockenen Fußes übers Hafenbecken gehen, weil es so picke-packe-voll ist, dass die meisten Schiffe im Päckchen liegen müssen.

Am nächsten Morgen nach dem Frühstück haben wir einen ausgiebigen Spaziergang durch die schöne Natur rund um den Hafen gemacht und aus der Ferne den herrlichen Ausblick auf den Hafen im Bild eingefangen. Nachmittags ging es dann barfuß am Strand entlang. Meine Lieblingsbeschäftigung: Nach Hühnergöttern Ausschau halten, kennt Ihr diese schönen, dekorativen Lochsteine? Zuhause habe ich schon einige Exemplare auf ein Band gezogen und an unserem Gartenhaus aufgehängt – das soll nämlich Glück bringen und den bösen Blick abwenden. Aber auch an einem Lederband um den Hals der Bordfrau kommen die besonderen Strand-Fundstücke ganz groß raus…👍🏼😊

Nach nur zwei Nächten auf meiner Trauminsel rief Thue morgens seine Crew (also mich) zusammen und es wurde Kriegsrat abgehalten. Mein Skipper machte sich nämlich Sorgen wegen der Windvorhersage für die nächsten Tage. Ein markantes Sturmtief war angesagt, und weil Thue keine Lust hatte, bei grauem Himmel, Starkwind und frischen Temperaturen tagelang auf Anholt einzuwehen, musste die Bordfrau schließlich klein beigeben. Dabei wäre ich so gern noch mal zum Leuchtturm gewandert, dem einzigen Ort in Dänemark, an dem man Seehunde vom Land aus beobachten kann! 😢 Aber die allererste Grundregel an Bord ist nun mal, dass der Skipper immer recht hat, und deshalb haben wir gemeinsam entschieden, erstmal wieder in südliche Richtung zu segeln. Gilleleje oder Helsingør hatten wir im Visier, je nachdem, wie’s läuft mit der Segelei und wie es um unsere Motivation bestellt ist.

Gegen 10.30 Uhr ließen wir Anholt im Kielwasser liegen. Anfangs wehte der Wind noch moderat um die 5 bis 6 m/s, Großsegel und Fock waren oben und wir konnten bei ca. 6 kn auf Amwindkurs segeln. Optimale Bedingungen, nur leider nicht von langer Dauer. Wie war das noch mit Murphy’s Law? Nach einer guten Stunde starb der Wind beinahe ab und wir mussten wieder mal den Volvo mitlaufen lassen. So viel wieder mal zur Zuverlässigkeit der Wetterseiten im Internet. DMI, YR.NO, Windguru & Co. können uns wirklich bald mal den Buckel runterrutschen.

Ganz überraschend bekamen wir Besuch an Bord! Ein völlig zerzauster, grünlich gefärbter Piepmatz* landete plötzlich auf dem Vorderdeck und es dauerte gar nicht lange, bis er sich sogar bis zu uns ins Cockpit vorwagte. Der kleine Kerl war erstaunlich zutraulich, ganz offensichtlich war ihm sein natürlicher Fluchtinstinkt völlig abhanden gekommen, weil er total erschöpft war. Die angebotenen Brötchenkrümel und Wasser gegen den Durst interessierten ihn überhaupt nicht; stattdessen inspizierte er das Cockpit, hopste vom Steuerrad zur Winsch, saß auf den Leinen, guckte neugierig ins Schwalbennest und wagte sich anschließend sogar bis unter die Sprayhood vor. Wir hatten den kleinen Kerl sofort ins Herz geschlossen und freuten uns über die Abwechslung. Als wir ihn gerade adoptieren wollten, hat er sich leider entschieden, weiterzufliegen. Dabei waren wir 15 sm von Anholt entfernt, das war ziemlich mutig von ihm. Hoffentlich hat er es bis ans rettende Land geschafft.

Nach knapp 60 sm hatten wir Helsingør endlich erreicht – einen der größten Jachthäfen Dänemarks. Obwohl der Hafen über 900 Liegeplätze hat, kurven wir jedes Mal ewig herum, bevor wir endlich eine passende Box finden. Die meisten Plätze sind nämlich von Festliegern belegt, nicht auf grün umgestellt, zu kurz, zu schmal, die Wassertiefe der Hafengassen reicht nicht aus oder dem Skipper gefällt die Windrichtung nicht (er möchte nämlich am liebsten im Windschatten im Cockpit sitzen). Irgendwann haben wir es dann doch geschafft und das elbkind war am Steg fest. Da war es schon fast 21.00 Uhr, und sofort ging es im Stechschritt in die Stadt. Wir brauchten dringend noch irgendwas Warmes auf die Gabel. Und was schmeckt nach so einem langen Tag auf dem Wasser am besten? Junkfood natürlich! Wir bestellten einen Burger mit doppelt Käse, Bacon und Country Potatoes. Natürlich kalorienfrei. 🍔🙃

Route Anholt Helsingør

Nun konnten wir uns auf ein paar abwechslungsreiche Tage in Helsingør freuen. Zuletzt hatten wir die schöne Stadt an der schmalsten Stelle des Øresunds vor zwei Jahren besucht und waren happy, dass wir uns noch rechtzeitig vor dem Sturm retten konnten. Ausnahmsweise stimmte nämlich die Wettervorhersage mal.

*Weil wir gern wissen wollten, um was für ein Vögelchen es sich bei unserem blinden Passagier eigentlich gehandelt hat (das hat man davon, dass man damals im Bio-Unterricht nicht aufgepasst hat!) habe ich spätabends ein Foto an Jürgen vom Linsenfutter-Blog gemailt. Jürgen kennt sich nämlich in der Tierwelt bestens aus und erfreut uns täglich mit seinen schönen Fotos und Berichten. Gleich früh am nächsten Morgen war seine Antwort da: unser kleiner Freund muss ein Zilpzalp gewesen sein. So lernt man immer was dazu. Lieben Dank, Jürgen! 👍🏼

Grenå – Frustkäufe und wichtige Entscheidungen

Am frühen Samstagmorgen liefen wir von Anholt aus in Richtung Grenå, denn wir wollten uns noch rechtzeitig vor dem nächsten Tiefdruckgebiet in einen sicheren Lee-Hafen retten. Eingeweht sein auf Anholt – das braucht nun wirklich kein Mensch. Nix wie weg!

Der Wind war noch nicht aufgestanden, aber die Sonne schien schon, und wir tuckerten gemütlich unter Motor an Dänemarks größtem Windpark vorbei. Hier stehen 111 Windmühlen und generieren fleissig Strom – ca. 35 % des Bedarfs für das gesamte Land werden durch Windkraft erzeugt. Dadurch hat sich der CO2-Wert Dänemarks seit 1990 um 36% reduziert – wirklich beachtlich!

Dänemarks größter Windpark vor Anholt

Plötzlich tauchten zwei kleine Köpfe aus dem Wasser auf. Da waren sie ja, die Seehunde, nach denen wir auf Anholt tagelang vergeblich Ausschau gehalten hatten! Zum Abschied zeigten sie sich endlich, zwar nur von Weitem, aber gefreut haben wir uns trotzdem. Nur kurze Zeit später folgten einige Schweinswale. Wir waren also nicht ganz allein auf unserer Fahrt nach Grenå. Andere Schiffe sind uns allerdings kaum begegnet.

Nach ca. 29 sm Fahrt erreichten wir die Marina. Es gab genügend grüne Plätze für Gastlieger, der Anlegewind meinte es gut mit uns, und auf dem Steg stand schon der freundliche Eigner des Nachbarschiffs, der unsere Vorderleinen annahm. Das nenne ich stressfreies Anlegen!

Schnell machten wir Klarschiff und inspizierten anschließend erst mal die Marina. Wir waren ganz zufrieden: in unmittelbarer Nähe gab es zwei Restaurants und ein Eiscafé, und die sanitären Anlagen machten einen ordentlichen Eindruck. Rund um den Hafen nette, einstöckige Ferienhäuser im Skagen-Stil, was dem Ganzen eine recht gemütliche Atmosphäre verlieh.

Grenå Marina

Unseren Aufenthalt in Grenå würde ich als eher unspektakulär bezeichnen. Wegen des ständigen Windes wurden die Bordfahrräder gar nicht ausgepackt und wir haben die Gegend zu Fuß erkundet.

Was diesen Hausbesitzer wohl beflügelt hat? Auf jeden Fall mal eine schöne Abwechslung für’s Auge im sonst eher schmucklosen Grenå!

Da es zwischendurch auch regnete, baute Thue ausnahmsweise auch mal das Cockpit-Zelt (in Seglerkreisen auch Kuchenbude genannt) auf. Abends ließen wir es uns beim Italiener (Casablanca) gut gehen. Die Preise waren für dänische Verhältnisse eigentlich moderat und die Pizza ganz lecker.

Am Montag stand ein Besuch des ca. 3 km entfernten Zentrums von Grenå auf dem Programm. Wir beschlossen, für den den Hinweg den Bus zu nehmen. Als wir einstiegen und Thue bezahlen wollte, informierte uns der Busfahrer, dass er gerade keine Billetts drucken könne. Wie praktisch – das bedeutete nämlich, dass wir umsonst mitfahren durften! Aber im Leben hat alles seinen Preis: der Fahrer entpuppte sich nämlich schnell als Rennfahrer-Verschnitt. Das Thema Geschwindigkeitsbegrenzung schien ein Fremdwort für ihn zu sein, er heizte mit 80 Sachen durch Wohngebiete und überholte rasant ein langsames Gärtnereifahrzeug, um anschließend eine Vollbremsung hinzulegen, damit sein Bus es noch um die nächste Straßenecke schaffte. Mit blassen Gesichtern hielten sich die Fahrgäste krampfhaft an ihren Sitzen fest, damit sie nicht durch den Bus kugelten. Wahrscheinlich hatte unser Fahrer, dessen Herkunft Thue im urbanen Teil von Rumänien vermutet, irgendetwas falsch verstanden. Zurzeit wird nämlich „Dänemarks bester Bus-Chauffør“ gesucht – zu diesem Zweck läuft eine große Kampagne, und in allen Bussen sind Aufkleber angebracht, mit dem die Fahrgäste aufgefordert werden, ihren Lieblingsfahrer vorzuschlagen. Dachte unser Fahrer vielleicht, es wird nicht der beste, sondern der schnellste Buschauffør gesucht? Wir waren jedenfalls froh, als wir nach ca. 20 Minuten das Zentrum von Grenå erreicht und endlich aus dem Bus springen konnten. Geschafft!

Gesucht: der beste Busfahrer 2015

Die Stadtmitte von Grenå fanden wir eher langweilig. Das einzige, was hier einen Besuch wert ist, sind die hübsche Sankt Gertruds Kirche und das kleine Østjylland-Museum. Wir bummelten durch die kleinen Einkaufsstraßen und kauften ein Buch (Thue) und eine Bluse (ratet mal ;-)). Nachdem wir uns die Kirche angesehen und in einem Café eine kleine Frokostpause mit Sandwich und Cappuccino eingelegt hatten, ging es zu Fuß bei trockenem Wetter auf einem netten Natur-Spazierweg entlang des kleinen Flüsschens Grenå Å wieder zurück Richtung Hafen.

Der Altar der St. Gertrud Kirke

Schon morgens hatten wir mitbekommen (die Wände von Cockpit-Zelten sind schließlich dünn), dass unser Stegnachbar an diesem Tag Geburtstag hatte, denn es trudelten diverse telefonische Glückwünsche bei ihm ein. Und weil wir ja wissen, was sich gehört, gratulierten wir natürlich auch, als wir von unserem Ausflug zurück an Bord kamen. Und schon wurden wir zu einem Geburtstagsdrink an Bord der „Meteor“, einer Bavaria 37 aus Travemünde, eingeladen. Nur kurze Zeit später stießen wir mit Geburtstagskind Dieter und seiner Lebensgefährtin Ilka mit Wodka-Lemon und Bier an. Die beiden waren unterwegs nach Norwegen und wollten wie wir am nächsten Tag weiter. Es wurde nett geklönt, gelacht und sogar ein dänisches Geburtstagslied zum Besten gegeben. Zwei Stunden vergingen wie im Flug und am Ende wurde es Zeit, dass wir zurück auf unser Schiff kamen, um erst mal feste Nahrung zu uns zu nehmen…

Das Geburtstagskind Dieter mit seiner Ilka
Die beiden kennt Ihr ja schon..

Beim Abendessen gab es wieder einmal nur ein Gesprächsthema für uns: das schlechte Wetter. In den fast 6 Wochen haben wir nicht eine einzige Nacht an Bord verbracht, ohne dass die Heizung lief. 😦 Laut Langzeitprognose von DMI, der dänischen Wetterseite, wird sich die Großwetterlage leider auch in den kommenden 2-4 Wochen nicht ändern. Muss man sich das eigentlich antun? Julia feiert am 3.7. ihren 30sten Geburtstag, und liebe Freunde, die wir aus Shanghai kennen, kommen am Wochenende darauf zu Besuch nach Hamburg. Schnell waren wir uns einig: wir segeln langsam zurück nach Dyvig und machen mal ein bisschen „Urlaub zuhause“, bis sich die Großwetterlage ändert. Wer sagt denn, dass nicht demnächst mal ein Azorenhoch über Skandinavien hängen bleibt? Wir geben die Hoffnung nicht auf. Irgendwann muss der Sommer doch endlich mal kommen!

Anholt – kleines Inselparadies im Kattegat

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Unsere Route von Gilleleje nach Anholt

Eigentlich sollte es ja nach Grenå gehen am letzten Montag, aber dann kam doch wieder mal alles anders. Plötzlich passte die Windrichtung, um nach Anholt zu segeln. Und die Sonne schien auch – hurra! Langsam kam tatsächlich etwas Sommerferien-Feeling auf. Die Windstärke ließ allerdings schnell zu wünschen übrig, so dass wir die meiste Zeit auf der fast 49 sm langen Strecke den Motor mitlaufen lassen mussten.

Auf halber Strecke dann plötzlich Aufregung. Schon eine ganze Weile hatten wir eine Rauchsäule am Horizont beobachtet und uns gefragt, ob ein großer Dampfer derartig viel Rauch produzieren kann… irgendwie eigenartig!  Dann plötzlich eine Anfrage von Lyngby Radio über Funk: ob es evtl. Schiffe gebe, die in der Nähe von Anholt eine Rauchsäule beobachten? Bevor wir das Funkgerät in die Hand nehmen konnten um zu antworten, purzelten schon die Antworten diverser Schiffe rein. Ja, so wie es aussehe, brenne dort ein Schiff.

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Gespannt verfolgten wir den Funkverkehr und es stellte sich heraus, dass tatsächlich ein Segelboot in Flammen stand. Die Besatzung, die aus nur einem Mann bestand, hatte sich schon in einem Schlauchboot in Sicherheit gebracht. Ein Rettungsboot von Anholt rückte aus, nahm den Mann an Bord und brachte ihn zurück auf die Insel. Dort war inzwischen ein Rettungshubschrauber mit einem Arzt an Bord am Strand gelandet. Der Patient wurde medizinisch versorgt, war aber glücklicherweise nicht ernsthaft verletzt. Wirklich sehr beeindruckend, wie professionell die ganze Rettungsaktion abgewickelt wurde. Das Schiff war leider nicht mehr zu retten und ist nur kurze Zeit später gesunken; der Grund für das Feuer war ein Motorbrand. Nach diesem Erlebnis habe ich mich bei Thue erst mal erkundigt, wo eigentlich unsere Feuerlöscher an Bord untergebracht sind..?!

Nach achtstündiger Fahrt liefen wir dann endlich im Hafen von Anholt ein. Unterwegs hatten wir uns telefonisch noch schnell ein paar Tipps von unserem Segelfreund Hein Mück geholt, denn das Anlegen auf Anholt funktioniert – anders als in den meisten dänischen Häfen – mit Heckbojen. Außerdem kennt sich Hein im Hafen aus wie in seiner eigenen Westentasche. Wir folgten seinem Rat und legten mit dem Bug nach Westen in der ersten Hafengasse hinter der Mole an. Alles klappte wie am Schnürchen, und ich habe den Ring an der Heckboje gleich beim ersten Versuch erwischt!

Heckboje
Eine Heckboje (man beachte das spiegelglatte Wasser!)

Das also war Anholt – endlich waren wir auch mal hier gelandet. Wir hatten schon so viel gehört, und nun konnten wir nachvollziehen, warum sich so viele Segler – vor allen Dingen Hein und Rosi, die jeden Sommer unbedingt hierher müssen 😉 so sehr von dieser wunderschönen kleinen Insel im Kattegat angezogen fühlen: es ist so still hier, so grün, so idyllisch, die Vögel singen, die Strände sind menschenleer, es gibt Seehunde, die Landschaft ist außergewöhnlich, die Luft glasklar und das Licht irgendwie magisch. Ganz unvermittelt fühlte ich mich in meine Kindertage zurückversetzt und erinnerte mich an die Urlaube mit der Familie an der Westküste Dänemarks, in Søndervig und Hvide Sande. Auf Anholt roch es ganz genauso! Irgendwie lustig, wodurch Erinnerungen plötzlich „wachgeküsst“ werden. Anholt hat übrigens 160 Einwohner, in der Dorfschule werden 16 Kinder gemeinsam unterrichtet und in diesem Jahr gab es genau einen Konfirmanden.

Hafen
Der Hafen von Anholt

Nach einem kleinen abendlichen Spaziergang durch die Natur (unterwegs sind wir einem Hasen begegnet, der so riesengroß war, dass wir ihn auf den ersten Blick für ein Känguru gehalten haben – kein Scherz!) gab es zum Abendessen marinierte Heringe und Samsø-Kartoffeln an Bord. Anschließend saßen wir in der Abendsonne bei Tuborg und Rotwein im Cockpit und waren fassungslos, denn es war – windstill. Es wehte nicht! Kein Wind, noch nicht einmal das kleinste Lüftchen! Was für eine Wohltat nach fast 5 windigen Wochen an Bord!

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Das Elbkind neben seinen Nachbarn im Hafen von Anholt

Am nächsten Tag haben wir Anholt zu Fuß erkundet. Wie gut, dass ich mir in Helsingør gute, bequeme Wanderschuhe zugelegt habe! Thue hat zwar leider noch immer „Knie“, aber Bewegung soll ja bekanntlich gut tun, und er beißt tapfer die Zähne zusammen. Zum Thema Knie-Therapie später mehr…*

Unterwegs fiel unser Blick auf dieses Schild an einer Holzhütte:

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Leider war nicht vermerkt, wohin ich die Fotos von Elbkind und dem Volvo-Penta-Motor schicken soll. Da hat Thue dann wohl gerade noch mal Glück gehabt und das Elbkind und ich sind ihm erhalten geblieben. 😉

Guckt Euch mal das nächste Foto an. Dieser gefiederte Freund krähte so lautstark, dass wir fanden, er könnte problemlos auch als Haushund durchgehen und mit seiner kräftigen Stimme ungebetene Gäste verjagen. Wir kriegten jedenfalls einen richtigen Schreck, als wir nichtsahnend durch das kleine Dorf latschten und plötzlich lautstark aus dem Gebüsch angekräht wurden!

Wachhund
Der gefiederte Wachhund…

An den folgenden beiden Tagen standen ein langer Strandspaziergang (10 km – hat da jemand „Knie“ gesagt?) und eine ausgiebige Tour mit den Bordfahrrädern über die Insel auf dem Programm. Besonders beeindruckt hat uns die Aussicht vom Sønderbjerg, dem höchsten Punkt der Insel (48 m), über das Wasser und die einmalige Landschaft.

Ausblick
Traumhafter Ausblick vom Sønderbjerg
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Strandspaziergang – 10 km gelaufen und nur 4 Leute von Weitem gesehen!
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Eine lebendige Fundsache…was für eine tolle, leuchtende Farbe!
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Selfie am Strand – wir fühlen uns pudelwohl auf Anholt!

Nachmittags fanden wir uns pünktlich zur Happy Hour im Hafenrestaurant „Molevitten“ ein und zischten schon gegen 17.00 Uhr bei schönstem Sonnenschein und Hafenblick ein leckeres Tuborg Classic zum halben Preis. Das Leben kann so schön sein!

Das Wetter war durchgängig schön. Endlich schien die Sonne mal längere Zeit, und wir mussten nicht mehr darüber nachdenken, wie viele Schichten Fleece wir uns über die Knochen reißen müssen. Im Gegenteil, sogar T-Shirts mit kurzen Ärmeln wurden rausgekramt und abends konnten wir grillen! Nur in der dritten Nacht kam plötzlich viel Wind auf, und der arme Thue musste nachts um halb 3 auf dem Deck rumturnen, um Springleinen zu legen, weil das Elbkind in den Steg gedrückt wurde. Ich schnarchte währenddessen in meiner Koje und bekam nichts davon mit. Wahrscheinlich hat das hat etwas mit dem sogenannten „selektiven Gehör“ zu tun. Wachen junge Väter etwa nachts auf, wenn das Baby schreit und eine Mahlzeit an Muttis Brust einfordert? Natürlich nicht, denn sie sind ja nicht zuständig… 😉

Am Samstagmorgen ging es dann gemütlich unter Motor (kein Wind – Ihr wisst ja: es weht immer zu viel oder zu wenig) nach Grenå, denn die Wetterdienste hatten das nächste Tiefdruckgebiet mit Regen und Starkwind angekündigt, und wir hatten keine Lust, dem schlechten Wetter mitten im Kattegat ausgesetzt zu sein.

Anholt ist wirklich einen Besuch wert und hat uns ausgesprochen gut gefallen. Wir kommen ganz sicher wieder, allerdings bestimmt nicht während der Sommerferien in Skandinavien, denn dann ist die Insel völlig überlaufen und der Hafen so voll, dass man garantiert im Päckchen liegen muss – und das ist so gar nicht unser Ding.

*Noch ein Wort zum Thema Skipper-Knie: zuerst einmal ganz lieben Dank für Eure netten Genesungswünsche, Ratschläge, Empfehlungen, Medikamente-und Therapie-Tipps.Thue hat nicht lange überlegt und sich für Angelika’s Therapie-Vorschlag entschieden, denn sie ist schließlich Physiotherapeutin und kommt vom Fach. Und das funktioniert folgendermaßen: das Knie soll von der Innenseite aus nach außen in Richtung Oberschenkel ausgestrichen werden. Diese Methode soll zuverlässig helfen. Thue ist allerdings fest davon überzeugt, dass die Behandlung nur von warmen, weichen Frauenhänden durchgeführt werden kann, damit eine Besserung eintritt. War doch klar, oder? 😉