Wundertüte Kerteminde

Und dann kam Kerteminde, und damit ein absolutes Kontrastprogramm zu Nyborg.

Um unser Ziel zu erreichen, mussten wir die Brücke über den großen Belt passieren. Eigentlich kein Problem, aber weil unser Mast inkl. Antenne über 19 Meter hoch ist, konnten wir nur eine der hohen östlichen Brückensektionen durchfahren. Das bedeutete einen Umweg von ca. 8 sm, bei dem Schietwetter nicht gerade ein Vergnügen.

Der Wind kam mit 8 bis 12 m/s aus Nordwest, in Böen blies es bis auf bis 16 m/s auf. Mit der Fock segelten wir bis zur Brückendurchfahrt, dann hatten wir den Wind direkt von vorn. Also wie so oft: Segel runter, Motor starten.

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Wind von vorn und jede Menge Salzwasser auf dem Deck…

Nach ca. vier Stunden liefen wir in Kerteminde ein und machten mit dem Bug nach West längsseits an einem der Gästeplätze im Kanal fest. Windschutz im Cockpit ist ja immer die halbe Miete 😊. Vor uns an der Mole lag der schöne Traditionssegler „Grønne Erna“ aus Svendborg. Es wehte noch immer eine steife Brise, und der Skipper (er ist ja eher der Vollkasko-Typ 😉) sicherte unser Schiff mit sämtlichen Fendern, die an Bord aufzutreiben waren.

Die Marina Kerteminde kannten wir bisher noch nicht. Thue hatte hier vor vielen Jahren nur mal einen kurzen Stopp gemacht, um ein Folkeboot zu kaufen und abzuholen. Wir waren angenehm überrascht, denn es herrschte eine sehr schöne, freundliche Atmosphäre im Hafen. Gleich zwei Restaurants liegen direkt im Bereich der Marina (unser Favorit: der Kerteminde Sejlklub). Zum gut sortierten SuperBrugsen braucht man zu Fuß höchstens fünf Minuten, perfekt zum Proviantieren.

In der Ferienzeit gibt es am Mittwochnachmittag kostenlose Livemusik vor dem Hafenbüro, und wenn man drei Nächte bleibt, muss man nur für zwei bezahlen (Achtung, liebe Segler: falls Ihr dieses Angebot nutzen wollt, bezahlt bitte das Hafengeld nicht am Automaten, sondern beim Hafenmeister). Ganz in der Nähe des Hafens liegt das Erlebnis- und Forschungszentrum Fjord & Bælt, an Regentagen eine schöne Abwechslung für kleine und große Segler.

Wer sich für Kunst interessiert, sollte auf keinen Fall das Johannes Larsen Museum auf dem Møllebakken verpassen. Die Villa des Künstlerehepaares Alhed und Johannes Larsen wurde Anfang des 19. Jh. gebaut und steht allen Besuchern offen, außerdem kann man sich das Atelier, einen üppigen Wintergarten und interessante Kunstausstellungen ansehen. Im sehr schön angelegten Garten gibt es seltene Bäume, das „Weinhaus“ und ein gemütliches Café. Direkt gegenüber des Museums liegt auf einem Hügel die alte Mühle „Svanemøllen“, das Wahrzeichen von Kerteminde.

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Svanemøllen – von hier aus hat man einen wunderbaren Blick über den Nordstrand und den großen Belt.

Als Liebhaberin aller Kirchen (und Friedhöfen) kam ich an der Sct. Laurentius-Kirche am Marktplatz von Kerteminde natürlich nicht vorbei, ohne kurz mal reinzuschauen. Besonders die alten Schiffsmodelle,  die in dänischen Kirchen oft von der Decke hängen, haben es mir angetan. In alten Zeiten bedankten sich Seeleute, die dem „nassen Tod“ entgangen waren, so für ihre Rettung. Sie stifteten Schiffsmodelle, die auch heute noch als Zeugnis der Demut in den Kirchen zu bewundern sind. Dieser Brauch hat vor allem in Norddeutschland und Dänemark Tradition.

Am zweiten Tag lief gegen Abend eine alte Freundin, der See-Ewer „Amazone“ aus Kappeln ein. Am Ruder: Skipper Sönke, den wir vor einigen Jahren (als wir noch von einem eigenen Schiff träumten) während eines Segeltörns auf der „Amazone“ kennengelernt haben. Sofort erkannte Sönke das elbkind und uns, und schon von Weitem winkten wir uns zu. Später am Abend saßen wir gemütlich bei einem Bier im Sejlklub zusammen und klönten. Die Seglerwelt ist manchmal klein und man trifft sich immer mal wieder, aber das macht das Ganze auch irgendwie schön.

Am nächsten Tag bekamen wir Nordborg-Unterstützung: Inge und Geoff liefen mit ihrer NB 32 „Ragazza“ von Bogense aus ein, und einen Tag später komplettierten Hans und Rosi mit ihrer NB 37 „Hein Mück“ die Nordborgrunde, sie kamen von Tunø. Dreimal dürft Ihr raten, wo wir uns abends auf einen Drink getroffen haben – genau, zur Abwechslung mal im Kerteminde Sejlklub! 😄 Anschließend stand noch ein kleiner Spaziergang ins Städtchen auf dem Programm, denn anlässlich des „Kirsebærfestivals“, das jedes Jahr am dritten Juli-Wochenende stattfindet, hatte Kerteminde sich etwas Besonderes ausgedacht. In der Abenddämmerung am Renæssancehafen trug die Sängerin Trine Lunau im Licht hunderter Fackeln dänische Volkslieder vor. Ein schöner, berührender Abschluss für unseren Aufenthalt in Kerteminde.

Ganz nebenbei fand in Kerteminde auch noch ein Treffen des NMMK, des „Nordisk Morris Minor Klub“ statt. Tagelang begegneten wir den schönen alten Autos an allen Ecken, und als Finale gab es eine Präsentation aller Wagen am Hafen. Diese Bilder möchte ich Euch auf keinen Fall vorenthalten:

Schön war’s in Kerteminde. Wir kommen bestimmt wieder!

Nyborg – wer nicht hin muss, segelt vorbei.

Hier kommt nun endlich mein Nyborg-Bericht. Man kommt ja zu gar nichts, wenn man segelt, und gut funktionierendes WLAN gibt es auch nur in wenigen Häfen. Aber bevor ich völlig ins Hintertreffen gerate…

Mit Ærøskøbing im Heckwasser ging es morgens in Richtung Svendborgsund. Anfangs stand noch eine ordentliche Welle, aber wir konnten unseren Halbwindkurs gut halten. Während der Fahrt durch den Sund lief  der Motor, weil das Fahrwasser nicht viel Platz zum Manövrieren lässt und man (gefühlt) ständig von Fähren umgeben ist, mit denen mich sowas wie Hassliebe verbindet. Wenn ich selbst Passagier bin, finde ich sie super, aber wenn wir segeln, kann ich sie nicht leiden. Sie sind so riesig groß, immer schneller als man denkt und es interessiert auch niemanden auf der Brücke, ob der kleine Segler da unten im Fahrwasser gerade Schweißperlen auf der Stirn hat, weil er nicht schnell genug aus dem Weg kommen kann.

Als wir den Sund hinter uns gelassen hatten, wurde das Vorsegel wieder gesetzt. Bei frischem Westwind mit bis zu 15 s/m und herrlichem Sonnenschein ging es anschließend die Ostküste von Fünen entlang. Stressfreies Segeln. Nach 6 1/2 Stunden und 45 Meilen hatten wir Nyborg endlich erreicht. Bevor 1998 die Storebælt-Brücke  eröffnet wurde, hatte die Stadt Nyborg mit ihrem Fährhafen eine große Bedeutung. Damals gab es die Fährverbindung Nyborg-Korsør, lebenswichtig für den Autoverkehr zwischen Fünen und Seeland.

Für uns gab es nun zwei Möglichkeiten: Entweder auf der nordöstlichen Seite im alten Fährhafen im Windschatten von modernen, mehrstöckigen Häusern anlegen, oder bis zum Ende des Hafenbeckens durchfahren. Dort gibt es einen Steg, an dem längsseits angelegt werden kann. Eine vielbefahrene Straße ist allerdings ganz in der Nähe (ruhige Nächte gehen irgendwie anders). Kurz zusammengefasst: wir sind zwar kurz mal reingefahren und haben die Lage gepeilt, aber der Fährhafen konnte uns nicht so recht überzeugen.

Die Marina auf der westlichen Seite gefiel uns besser, und es war kein Problem, eine Box zu finden. Die Crew einer deutschen Yacht nahm unsere Vorleinen an, und ruckzuck waren wir am Steg fest. Der Yachthafen bietet ca. 500 Plätze und hat eigentlich alles, was das Seglerherz begehrt. Die Duschen und WCs sind zwar schon etwas in die Jahre gekommen, aber es gibt Grillplätze, Waschmaschinen und Trockner und sogar einen Marine-Shop. Supermärkte wie Kvickly und Netto sind in ein paar Minuten zu Fuß zu erreichen.

Nachdem wir klar Schiff gemacht hatten, wurde an Bord der Ruf nach Pizza laut. Nach so einem langen Törn bleibt die Kombüse natürlich kalt.  Auf der Suche nach einem italienischen Restaurant gondelten wir kurze Zeit später durch Nyborgs Straßen, aber schnell kamen wir zu der Erkenntnis, dass die Suche sich schwierig gestaltet. Die Brasserie an der Mole hatte nur ein mehrgängiges Menü auf der Karte. Im ehemaligen Fährhafen gibt es ein Schnellrestaurant (Burger, Softeis und Hotdogs), aber so verzweifelt waren wir dann auch wieder nicht. Nach einer kleinen Ewigkeit stießen wir auf ein Restaurant namens „Caramba“ in der Nähe des Nyborg Slot. Inzwischen war der Hunger so groß, dass uns alles egal war. Und weil im Restaurant Temperaturen wie in einer finnischen Sauna herrschten, setzten wir uns trotz des grauen Himmels einfach nach draußen. Wir mussten zwar lange darauf warten, aber das Essen war warm und machte satt. Kulinarisch war allerdings noch reichlich Luft nach oben.

Am nächsten Tag stand ein Besuch des Nyborg Schloss auf unserer To-Do-Liste. Mehrere Flügel des Schlosses wurden im Laufe der Jahrhunderte leider abgerissen; heute stehen nur noch der Westflügel und der Turm auf der Ostseite. Mit 80 DKK lag der Eintrittspreis einigermaßen hoch, aber wenn man schon mal in Nyborg ist, will man ja auch kein Kulturbanause sein und alles mitnehmen.

Weil die skandinavischen Wetterseiten DMI und YR.NO für den späten Abend Gewitter angekündigt hatten, haben wir das Schiff verlassen und  – wie schon letztes Jahr von Fåborg aus – einen netten Trip nach Odense gemacht. Mit dem Zug ging das flott, wir waren in zwanzig Minuten da, und das Kino liegt direkt am Bahnhof. Der Film „Virgin Mountain“ war zwar speziell, aber absolut sehenswert. Bevor der Zug zurück nach Nyborg abfuhr, konnten wir in einer Bar noch die letzten Minuten der Verlängerung des EM-Finales mitverfolgen und uns mit Portugal über den Titelgewinn freuen.

Am Abend dann des Skippers unvermeidlicher Blick auf die Wettervorhersage für den nächsten Tag. Ups, das sah nicht besonders gut aus, viel Wind und Regen wurden angekündigt. Aber das war uns egal – aus unerklärlichen Gründen fühlten wir uns beide nicht so richtig wohl in Nyborg, und wir wollten gern weiter. Am nächsten Morgen nahmen wir Kurs auf Kerteminde.