Technik-Tipp: MOB-System für Zwei-Personen-Crews

Ahoi, Ihr Lieben! Sind Eure Schiffe aus dem Winterschlaf erwacht, und fängt’s bei Euch auch schon langsam wieder an zu kribbeln? Wir freuen uns jedenfalls schon sehr auf die neue Segelsaison. Am 19. April ist Krantermin in Dyvig, dann geht unser elbkind endlich wieder ins Wasser. Yippieh!

Seid Ihr gut vorbereitet? Auch auf den Notfall?

Bei aller Vorfreude auf das sommerliche Segelvergnügen habt Ihr Euch bestimmt gelegentlich gefragt, wie wohl ein Mann-über-Bord Situation Szenario bei Euch an Bord ablaufen würde. Vielleicht ist es Euch dabei so gegangen wie uns: am liebsten verdrängt man diesen Gedanken schnell wieder. Wird schon alles gutgehen. Es wird schon nichts passieren. Aber was ist, wenn es doch passiert? Seid Ihr gut vorbereitet und wisst, was zu tun ist? Heute gibt es zu diesem Thema einen kleinen Technik- Tipp von meinem Skipper.  😊

Mann über Bord: eine brenzlige Situation

Wer mit einer Segel- oder Motoryacht unterwegs ist, sollte sich unbedingt Gedanken darüber machen, was eigentlich zu tun ist, wenn der „Worst Case“ eintritt und jemand über Bord geht. Klar, wir alle haben fleißig MOB (Mann über Bord) Manöver geübt, um die Prüfungen für unsere Segelscheine zu bestehen. Der wichtigste Teil der Übung fehlt allerdings meistens, nämlich: Wie bekomme ich das über Bord gegangene Crewmitglied eigentlich wieder zurück aufs Schiff??

Solange die Crew aus 5 – 6 Leuten besteht, ist die Situation vielleicht nicht ganz so dramatisch, denn schließlich sind genug Hände und ausreichend Kraft vorhanden, um das über Bord gegangene Crewmitglied wieder zurück an Deck zu hieven. Sehr häufig besteht die Crew aber – so wie bei uns – nur aus zwei Mitgliedern. Und wenn man fast ausschließlich zu zweit unterwegs ist, kann ist eine MOB-Situation nicht nur extrem brenzlig, sondern auch schnell lebensgefährlich werden.

Angeblich soll es Ehe- und Segelpartner geben, die alles tun würden, um über Bord gegangene Crewmitglieder zu retten 😉. Weil Thue auch seine Bordfrau dazuzählt, hat er sich während der Wintermonate eingehend mit der Frage beschäftigt, wie ein MOB-Manöver auch einer Zweier-Crew gelingen könnte.

Zuerst hat er sich die am Markt angebotenen Hilfsmittel angeschaut. Außerdem wurden alle relevanten Tests studiert, in denen erklärt wird, wie Fertiglösungen funktionieren. Aber irgendwie hat ihn keine der Möglichkeiten richtig überzeugt – entweder zu kompliziert, oder die Bedienung war zu fummelig für die eine Person, die parallel zur Rettungsaktion auch noch das Boot steuern und handhaben muss. Deswegen hat Thue ein eigenes System ausgetüftelt, das für uns und unser Schiff einfach und effizient funktionieren müsste.

Gewusst wie – dem Ingenieur ist nix zu schwör! 🙃

Das Ende einer ca. 10 m langen und 10 mm starken, geflochtenen, schwimmfähigen Polypropylenleine (Bruchstärke 1.200 kg) in der Leuchtfarbe rot wurde mithilfe eines Gordingsteks mit einem Karabiner der Marke Wichard (Bruchlast 1.650 kg) verbunden.

Am Karabiner wurde anschließend eine Hostalen-Kugel mit einer durchgehenden Öffnung von 10 mm und einem Auftrieb des doppelten Karabiner-Gewichts angebracht. Die Leine mit Karabiner und Hostalen-Kugel läuft durch einen auf dem Heckkorb befestigten 10 mm-Block (Sprenger Relingsblock, Bruchlast 850 kg). Alles wird aufgeschossen und liegt oder hängt einsatzbereit am Heck parat.

Und dann?

Tritt nun der MOB-Fall ein, wird die Leine mit dem Karabiner-Ende zuerst ins Wasser geworfen, wo es dank der Hostalen-Kugel gut sichtbar an der Wasseroberfläche treibt und leicht greifbar ist. Mit dem anderen Ende der Leine wird die Winsch belegt. Entweder kann die über Bord gefallene Person jetzt selbst den Karabiner am Auge der Schwimmweste einklinken (wir gehen davon aus, dass Ihr ohnmachtssichere Rettungswesten mit Sicherheitsgurt tragt), oder der Mitsegler unterstützt von der Badeplattform aus.

Sobald Rettungsweste und Karabiner sicher miteinander verbunden sind, kann der klitschnasse Unglücksrabe mithilfe der Winsch in aller Ruhe aus dem Wasser gekurbelt werden. Auf unserem Schiff könnten wir die Person erst auf die Badeplattform ziehen und von dort zurück ins Cockpit hieven, ohne dass viel Gewicht gestemmt werden muss. Das ist z.B. immer dann wichtig, wenn eine weibliche Person allein an Bord zurückgeblieben ist und ein Mann gerettet werden muss. Natürlich ist das nicht immer so, aber bei uns bringt der Skipper gute 35 kg mehr auf die Waage als seine Bordfrau. 😜

Thues MOB-System

Wir denken, dass dieses DIY-System gut funktionieren kann. Wenn die Saison wieder losgeht und das Wasser eine anständige Temperatur erreicht hat, werden wir das Ganze bestimmt auch mal ausprobieren. Thue meint ja, dass ich nicht begeistert sein werde, wenn er mich als Versuchskaninchen über Bord schubst, aber wir werden ja sehen, wer von uns beiden der bessere Schubser ist. Ha! 🏊🏼

PS: Welche Systeme verwendet Ihr? Wir freuen uns über Eure Kommentare und Erfahrungsberichte!

 

 

 

14 Kommentare zu „Technik-Tipp: MOB-System für Zwei-Personen-Crews

  1. Hallo Martina,
    darf ich fragen ob Euer „System“ mal getestet wurde? Das Thema ist auch bei uns immer wieder aktuell, da wir auch nur zu zweit und mit ähnlichem Gewichtsverhältniss unterwegs sind. 😉

    LG
    Oliver

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  2. Moin, moin,
    für mich ist es wichtiger die Verbindung zum Schiff IMMER zu behalten. Das heißt Lifelinen der Rettungswesten IMMER
    einpicken! Einer von zwei Karabiner ist IMMER mit dem Schiff verbunden. Dann behält der Betroffene die Verbindung zum Schiff, selbst wenn er durch den Sturz bewusstlos ist und eine zugeworfene Leine gar nicht fassen könnte.
    Und ich habe nicht den Stress den Betroffenen in aufgewühlter See wieder finden zu müssen.
    Liebe Grüße
    Jens

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  3. Hallo miteinander, habe jetzt erst durch die Zeitschrift Segeln die wirklich gute Seite kennengelernt.
    So nun zum Thema MOB. Auch wir segeln zu zweit und haben uns schon lange Gedanken über dem worst case gemacht, wenn der (schwerere Partner, Mann) über Bord gehen sollte. Frau hat selten die Kraft mittels Winsch einen wieder an Bord zu holen! Selten passiert so etwas bei ruhigem Wasser. Es gibt aber aufsetzbare nachrüstbare Elektro Winschen. Leider habe ich noch keinerlei Info wieviel Kraft diese in Drehung umsetzen. Übers Heck, wie schon anbemerkt, kommt man warscheinlich nur erschlagen.. Bergesegel kann einfallen durch Wind und hat den Nachteil, die Person müsste über die Reling einsteigen, da eine Seite ja an der Fussreling fest angesschlagen ist. Es gibt zwar im Netz einige Videos mit Vorschlägen, aber wirklich überzeugend ist keiner. Man kann ja mal eine „Trockenübung“ veranstallten. Man legt sich ins Cockpit und lässt sich von Frau über das Großfall und der Winsch hochziehen.

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    1. Hallo Uli, danke für Deinen Kommentar. Du hast recht, das Ganze ist ein schwieriges Thema. Wir könnten im Notfall auf Elektrowinschen zurückgreifen. Man kann nur hoffen, dass man nie ein diese Notfallsituation gerät. Die „Trockenübung“ ist eine gute Idee! 👍🏼

      Liebe Grüße, Martina & Thue

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  4. Liebe Martina,

    ich bin ein echter Angsthase. Wie ist denn das eigentlich bei Dir, wenn die Ostsee mal sehr hoch geht (kann sie ja durchaus)?! (Karabiner mit Bruchlast 1.650 kg klingt aber schon mal, als könnte man sich drauf verlassen. Sagte die Dame ohne technisches Verständnis.). Liebe Grüße, Stefanie

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    1. Hallo Stefanie, ich bin ziemlich angstfrei. Das könnte allerdings auch daran liegen, dass ich manche Situationen gar nicht richtig einschätzen kann… Wenn die Ostsee mal sehr hoch geht, bleiben wir sowieso im Hafen. Zum Glück haben wir ja keinen Zeitdruck mehr als Pensions-Pensionisten im Vorruhestand. 😉 Und jetzt gucke ich mir Deine Lieblingsplätze im Norden von Nord-Wales an. Darauf freue ich mich schon! 😊

      Liebe Grüße, Martina

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  5. Ich habe vor Jahren mal ein ernsthaftes Training zu dem Thema mitgemacht (2009 im Blog). Außerdem hat es alle möglichen Selbstversuche gegeben. Die Erfahrungen waren erschreckend.
    Seitdem bin ich sehr skeptisch! Schon bei moderaten Bedingungen wirst du Thue kaum aus dem Wasser kriegen. Und die Badeplattform ist bei Welle einer der unruhigsten Plätze an Bord und wird versuchen, dem Menschen im Wasser den Schädel einzuschlagen. Wenn
    überhaupt, dann über die Seite. Ich gehe bei uns davon aus, dass im Ernstfall nur die nachgeschleppte Rettungsinsel für den Menschen im Wasser erreichbar ist. Ich bin gespannt, wie eure Eindrücke sein werden.

    LG, Frank

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    1. Ja, wir sind auch gespannt. Das perfekte System gibt es wohl nicht Beim Skippertraining für Frauen war die klare Ansage, dass man als Frau ohnehin kaum eine Chance hat, den Skipper allein wieder zurück an Bord zu bekommen. Da bleibt nur, über Funk einen Notruf abzusetzen, den über Bord gegangenen im Auge / an der Leine zu behalten und zu hoffen, dass der Hubschrauber schnell kommt. 😳

      Liebe Grüße, Martina

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      1. Beim Thema Hubschrauber kommt übrigens auch wieder die Rettungsinsel ins Spiel. Direktes Hochwinschen von einem Segelboot geht wegen des Riggs nicht.
        Für solche Zwecke sehe ich die Insel eher im Einsatz als für ihren klassischen Job.

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  6. Darüber sollte man wirklich nachdenken. Ich als Nichtskipper sehe da nur ganz verklärt Haare im Wind, Segel setzen im Sonnenaufgang und idyllisches Grillen am Bootssteg. Bin gespannt, wer wenn im Sommer schubst. 🙂 Ich finde ja, dass Thue über Board gehen muss, das wäre wirklich der worst case. LG Undine

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  7. We have a rescue package placed on the aft of the boat. There is 50m yellow line with a handle in the package. In a MOB situation the line will be trown out. MOB will be able to grasp the line and get to the bathing platform and get on board using the ladder.

    MOB maneuvres are difficult – especially if they take place in rough weather.

    It will be a much bigger problem for the wife to do the MOB, because she’s not as strong and heavy as her husband.

    May I suggest you start out by practising with Thue as the MOB ?

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    1. Hej Carl, the recovery line we have is a supplement to the lifesling. It serves only to get a person from the water-surface and back into the boat. Can be used at the stern if the water is calm – or at the lee long-side via a hail-yard and winch. The lifesling is ok – but a person easily slips out of the sling. So with a lifejacket with a builtin safety harness, the floating line and snap-hook is a good solution I think. If I’m alone next time we meet you will know immediately it did not do the job of getting Martina back on board! 😉

      Take care and be safe, Thue

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