
Eigentlich sollte es ja nach Grenå gehen am letzten Montag, aber dann kam doch wieder mal alles anders. Plötzlich passte die Windrichtung, um nach Anholt zu segeln. Und die Sonne schien auch – hurra! Langsam kam tatsächlich etwas Sommerferien-Feeling auf. Die Windstärke ließ allerdings schnell zu wünschen übrig, so dass wir die meiste Zeit auf der fast 49 sm langen Strecke den Motor mitlaufen lassen mussten.
Auf halber Strecke dann plötzlich Aufregung. Schon eine ganze Weile hatten wir eine Rauchsäule am Horizont beobachtet und uns gefragt, ob ein großer Dampfer derartig viel Rauch produzieren kann… irgendwie eigenartig! Dann plötzlich eine Anfrage von Lyngby Radio über Funk: ob es evtl. Schiffe gebe, die in der Nähe von Anholt eine Rauchsäule beobachten? Bevor wir das Funkgerät in die Hand nehmen konnten um zu antworten, purzelten schon die Antworten diverser Schiffe rein. Ja, so wie es aussehe, brenne dort ein Schiff.
Gespannt verfolgten wir den Funkverkehr und es stellte sich heraus, dass tatsächlich ein Segelboot in Flammen stand. Die Besatzung, die aus nur einem Mann bestand, hatte sich schon in einem Schlauchboot in Sicherheit gebracht. Ein Rettungsboot von Anholt rückte aus, nahm den Mann an Bord und brachte ihn zurück auf die Insel. Dort war inzwischen ein Rettungshubschrauber mit einem Arzt an Bord am Strand gelandet. Der Patient wurde medizinisch versorgt, war aber glücklicherweise nicht ernsthaft verletzt. Wirklich sehr beeindruckend, wie professionell die ganze Rettungsaktion abgewickelt wurde. Das Schiff war leider nicht mehr zu retten und ist nur kurze Zeit später gesunken; der Grund für das Feuer war ein Motorbrand. Nach diesem Erlebnis habe ich mich bei Thue erst mal erkundigt, wo eigentlich unsere Feuerlöscher an Bord untergebracht sind..?!
Nach achtstündiger Fahrt liefen wir dann endlich im Hafen von Anholt ein. Unterwegs hatten wir uns telefonisch noch schnell ein paar Tipps von unserem Segelfreund Hein Mück geholt, denn das Anlegen auf Anholt funktioniert – anders als in den meisten dänischen Häfen – mit Heckbojen. Außerdem kennt sich Hein im Hafen aus wie in seiner eigenen Westentasche. Wir folgten seinem Rat und legten mit dem Bug nach Westen in der ersten Hafengasse hinter der Mole an. Alles klappte wie am Schnürchen, und ich habe den Ring an der Heckboje gleich beim ersten Versuch erwischt!

Das also war Anholt – endlich waren wir auch mal hier gelandet. Wir hatten schon so viel gehört, und nun konnten wir nachvollziehen, warum sich so viele Segler – vor allen Dingen Hein und Rosi, die jeden Sommer unbedingt hierher müssen 😉 so sehr von dieser wunderschönen kleinen Insel im Kattegat angezogen fühlen: es ist so still hier, so grün, so idyllisch, die Vögel singen, die Strände sind menschenleer, es gibt Seehunde, die Landschaft ist außergewöhnlich, die Luft glasklar und das Licht irgendwie magisch. Ganz unvermittelt fühlte ich mich in meine Kindertage zurückversetzt und erinnerte mich an die Urlaube mit der Familie an der Westküste Dänemarks, in Søndervig und Hvide Sande. Auf Anholt roch es ganz genauso! Irgendwie lustig, wodurch Erinnerungen plötzlich „wachgeküsst“ werden. Anholt hat übrigens 160 Einwohner, in der Dorfschule werden 16 Kinder gemeinsam unterrichtet und in diesem Jahr gab es genau einen Konfirmanden.

Nach einem kleinen abendlichen Spaziergang durch die Natur (unterwegs sind wir einem Hasen begegnet, der so riesengroß war, dass wir ihn auf den ersten Blick für ein Känguru gehalten haben – kein Scherz!) gab es zum Abendessen marinierte Heringe und Samsø-Kartoffeln an Bord. Anschließend saßen wir in der Abendsonne bei Tuborg und Rotwein im Cockpit und waren fassungslos, denn es war – windstill. Es wehte nicht! Kein Wind, noch nicht einmal das kleinste Lüftchen! Was für eine Wohltat nach fast 5 windigen Wochen an Bord!

Am nächsten Tag haben wir Anholt zu Fuß erkundet. Wie gut, dass ich mir in Helsingør gute, bequeme Wanderschuhe zugelegt habe! Thue hat zwar leider noch immer „Knie“, aber Bewegung soll ja bekanntlich gut tun, und er beißt tapfer die Zähne zusammen. Zum Thema Knie-Therapie später mehr…*
Unterwegs fiel unser Blick auf dieses Schild an einer Holzhütte:
Leider war nicht vermerkt, wohin ich die Fotos von Elbkind und dem Volvo-Penta-Motor schicken soll. Da hat Thue dann wohl gerade noch mal Glück gehabt und das Elbkind und ich sind ihm erhalten geblieben. 😉
Guckt Euch mal das nächste Foto an. Dieser gefiederte Freund krähte so lautstark, dass wir fanden, er könnte problemlos auch als Haushund durchgehen und mit seiner kräftigen Stimme ungebetene Gäste verjagen. Wir kriegten jedenfalls einen richtigen Schreck, als wir nichtsahnend durch das kleine Dorf latschten und plötzlich lautstark aus dem Gebüsch angekräht wurden!

An den folgenden beiden Tagen standen ein langer Strandspaziergang (10 km – hat da jemand „Knie“ gesagt?) und eine ausgiebige Tour mit den Bordfahrrädern über die Insel auf dem Programm. Besonders beeindruckt hat uns die Aussicht vom Sønderbjerg, dem höchsten Punkt der Insel (48 m), über das Wasser und die einmalige Landschaft.




Nachmittags fanden wir uns pünktlich zur Happy Hour im Hafenrestaurant „Molevitten“ ein und zischten schon gegen 17.00 Uhr bei schönstem Sonnenschein und Hafenblick ein leckeres Tuborg Classic zum halben Preis. Das Leben kann so schön sein!
Das Wetter war durchgängig schön. Endlich schien die Sonne mal längere Zeit, und wir mussten nicht mehr darüber nachdenken, wie viele Schichten Fleece wir uns über die Knochen reißen müssen. Im Gegenteil, sogar T-Shirts mit kurzen Ärmeln wurden rausgekramt und abends konnten wir grillen! Nur in der dritten Nacht kam plötzlich viel Wind auf, und der arme Thue musste nachts um halb 3 auf dem Deck rumturnen, um Springleinen zu legen, weil das Elbkind in den Steg gedrückt wurde. Ich schnarchte währenddessen in meiner Koje und bekam nichts davon mit. Wahrscheinlich hat das hat etwas mit dem sogenannten „selektiven Gehör“ zu tun. Wachen junge Väter etwa nachts auf, wenn das Baby schreit und eine Mahlzeit an Muttis Brust einfordert? Natürlich nicht, denn sie sind ja nicht zuständig… 😉
Am Samstagmorgen ging es dann gemütlich unter Motor (kein Wind – Ihr wisst ja: es weht immer zu viel oder zu wenig) nach Grenå, denn die Wetterdienste hatten das nächste Tiefdruckgebiet mit Regen und Starkwind angekündigt, und wir hatten keine Lust, dem schlechten Wetter mitten im Kattegat ausgesetzt zu sein.
Anholt ist wirklich einen Besuch wert und hat uns ausgesprochen gut gefallen. Wir kommen ganz sicher wieder, allerdings bestimmt nicht während der Sommerferien in Skandinavien, denn dann ist die Insel völlig überlaufen und der Hafen so voll, dass man garantiert im Päckchen liegen muss – und das ist so gar nicht unser Ding.
*Noch ein Wort zum Thema Skipper-Knie: zuerst einmal ganz lieben Dank für Eure netten Genesungswünsche, Ratschläge, Empfehlungen, Medikamente-und Therapie-Tipps.Thue hat nicht lange überlegt und sich für Angelika’s Therapie-Vorschlag entschieden, denn sie ist schließlich Physiotherapeutin und kommt vom Fach. Und das funktioniert folgendermaßen: das Knie soll von der Innenseite aus nach außen in Richtung Oberschenkel ausgestrichen werden. Diese Methode soll zuverlässig helfen. Thue ist allerdings fest davon überzeugt, dass die Behandlung nur von warmen, weichen Frauenhänden durchgeführt werden kann, damit eine Besserung eintritt. War doch klar, oder? 😉